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Lübecker Dermatologen entwickeln Verfahren zur besseren Diagnostik und Therapie von Hautkrankheiten und Allergien

Das menschliche Immunsystem arbeitet nicht immer problemlos. Manchmal wendet es sich gegen im eigenen Körper befindliche Stoffe und produziert unerwünschte entzündliche Prozesse in sogenannten „Autoimmunerkrankungen“. Noch viel häufiger reagiert das Immunsystem in überschießender Weise auf von außen kommende Reizstoffe, man spricht dann von Allergien. Die medizinische Forschung arbeitet an neuen Verfahren, die eine individuelle Diagnostik und Therapie solcher Erkrankungen ermöglichen. Die Lübecker Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie (kurz: Hautklinik) am UKSH entwickelt in Zusammenarbeit mit Medizinprodukte-Herstellern neue Nachweis- und Behandlungstechniken auf diesen Gebieten. Das Klinik-Team von Professor Dr. Detlef Zillikens beteiligt sich in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Vor einem neuen Färbeautomaten im Labor: (v. r.) Prof. Detlef Zillikens, Prof. Karin Hartmann, Prof. Enno Schmidt

„Hautkrankheiten und Allergien beeinträchtigen die Lebensqualität unserer Patienten oft erheblich. Wir entwickeln deshalb ständig neue Verfahren für eine bessere Erkennung von spezifischen, das Krankheitsbild erzeugenden Antikörpern im Körper eines Patienten“, erklärt der Klinik-Leiter. Dabei setzt Zillikens auf eine enge Kooperation mit Herstellern von Laborgeräten und Labordiagnostika. „Von unserer Seite kommen gut charakterisierte Patienten-Daten und -Proben aus unserer wachsenden Biobank und später die Möglichkeit der umfassenden klinischen Validierung. Die Hersteller bringen die Expertise ein für die Produktion von geeigneten, sensitiven und spezifischen Nachweisstoffen und von neuen Geräten zur standardisierten, automatischen Bearbeitung von Gewebeproben und Seren“, erläutert Professor Dr. Dr. Enno Schmidt, Direktor des Lübecker Institut für Experimentelle Dermatologie.

Professor Dr. Karin Hartmann hat sich auf das Thema Allergien spezialisiert. „Allergien werden weltweit immer häufiger, aber die Menschen reagieren regional auf ganz unterschiedliche Allergene, sodass hier ein weites Forschungs- und Entwicklungsfeld vor uns liegt“, berichtet die Leiterin der Allergieabteilung der Hautklinik. Die Lübecker Experten arbeiten gegenwärtig unter anderem an der Testung und Validierung sogenannter „rekombinanter Allergene“ (also künstlich hergestellter allergener Eiweiße) für den Einsatz in einem in der Entwicklung befindlichen „Random-Access-Automaten“. Dieser Automat soll zukünftig die automatische Analyse von Antikörpern im Serum (des Patientenblutes) ermöglichen. Dabei kommt eine spezielle „Beads“-Technologie zum Einsatz: Mit den in bestimmter Weise beschichteten magnetischen Träger-„Kügelchen“ wird es möglich, Blut auf gleich mehrere Allergene gleichzeitig und unabhängig voneinander zu analysieren. „Das macht diese Technologie mit ständiger Zugriffsmöglichkeit nicht nur praktischer bei der täglichen Laborarbeit und präziser hinsichtlich der Ergebnisse, sondern auch schneller und wirtschaftlicher für das Labor“, betont Professor Schmidt.

Bei einer Gruppe von weniger verbreiteten Hautkrankheiten haben die Lübecker Hautärzte bereits mehrere neue Behandlungssysteme gefunden, die auch kommerziell erhältlich sind und erfolgreich eingesetzt werden. Bei den „bullösen“ (blasenbildenden) Autoimmundermatosen handelt es sich um eine Gruppe von Autoimmunkrankheiten, die Professor Zillikens als „Rheuma an der Haut“ beschreibt. „Wir konnten hier in den letzten Jahren nicht nur Nachweise von diversen auslösenden Autoantikörpern im Hautgewebe beziehungsweise im Blutserum der Patienten finden, sondern für einige dieser Autoantikörper auch Adsorber- oder Reinigungsverfahren entwickeln, die diese schädlichen Autoantikörper wirksam aus dem Blut entfernen “, so der Klinikchef. Weitere spezifisch wirksame Adsorbersysteme seien in der Entwicklung. In diesem Zusammenhang validieren Professor Zillikens und sein Team für einen Hersteller gegenwärtig auch einen neuen Färbeautomaten für Gewebeschnitte (Bild), der die Laborarbeit weiter beschleunigen und optimieren soll.

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Lübecker Gynäkologen entwickeln innovative Lokalisationsverfahren bei minimal-invasiven Operationen

Mehr als 800 Mal pro Jahr operieren die Ärzte der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des UKSH mit der „Schlüssellochtechnik“ der Laparoskopie. Das Team von Klinikdirektor Professor Dr. Achim Rody beteiligt sich in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Ein besonderes Augenmerk legen die Lübecker Kliniker dabei auf die Zusammenarbeit mit Medizintechnik-Herstellern bei der Entwicklung verbesserter Lokalisationsverfahren und -instrumente für die minimal-invasiven Operationen insbesondere im onkologischen Bereich.

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Prof. Achim Rody zeigt sein tägliches Arbeitsgerät: ein Endoskop an einem im OP verwendeten Laparoskopie-Turm.

„Als Gynäkologen stehen wir im laparoskopischen Bereich ohnehin immer an der Spitze der technischen Entwicklung; schließlich war es Anfang der 80er Jahre mit Kurt Semm auch ein deutscher Gynäkologe, der dieses Verfahren als sogenannte ‚Pelviskopie‘ nicht nur für die Diagnose, sondern auch chirurgisch eingesetzt hat“, erzählt Professor Rody. Inzwischen habe sich die endoskopische Technologie erheblich weiterentwickelt, stoße aber gerade im Bereich der präzisen Lokalisation etwa von Tumoren während der Operation auch gelegentlich an ihre Grenzen. „Mit neuen optischen Verfahren und Technologien sind wir heute auf dem Weg, Tumoren oder andere kranke Gewebeteile auch intraoperativ noch exakter erkennen zu können, damit wir so wenig Gewebe wie möglich, aber so viel wie nötig entfernen können“, erläutert Rody das Entwicklungsziel in der Kooperation mit Technologie-Herstellern.

Ein Beispiel ist die in der Frauenheilkunde regelmäßig durchgeführte Entfernung von Lymphknoten bei Brustkrebs und bösartigen Tumoren des weiblichen Genitals. Hier erforschen die Spezialisten am zertifizierten Lübecker Krebszentrum eine Möglichkeit, den sogenannten „Wächterlymphknoten“ besser als bisher zu identifizieren. Der „Wächter“ ist der erste in der Abflussbahn der Tumor-Lymphflüssigkeit liegende Knoten. „Mithilfe der fluoreszierenden Wirkung des Kontrastmittels Indigocyaningrün erhalten wir einen gegenüber dem gängigen Mittel ‚Patentblau‘ oder gegenüber dem Einsatz von radioaktiven Markierungsstoffen klarer umrissenen Lymphknoten, der präzise entfernt werden kann und muss. Aber die umliegenden Knoten können bei Nichtbefall erhalten bleiben“, erklärt der erfahrene Operateur, der seit 2012 die Lübecker Frauenklinik leitet. So könnten Nerven sicher geschont und Lymphödeme vermieden werden.

Die gezielte Lokalisation und Verfolgung von Tumoren und anderen Gewebe-Herden während der Operation kann mit verschiedenen Geräte-Technologien verbessert werden. So arbeitet das Rody-Team unter anderem an der Entwicklung eines im Körper anwendbaren fokussierten Ultraschalls, mit dem die sogenannten „Myome“ (zumeist gutartige Gebärmutter-Muskeltumoren mit breitem Beschwerdebild) präziser und schonender als bisher verödet werden können. Bei der Behandlung der schmerzhaften „Endometriose“ (gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle) geht es zunächst darum, das in Form und Farbe heterogene Erscheinungsbild des „falschen“ Gewebes mit optischen Verfahren klarer darstellbar zu machen. „Dies kann möglicherweise in Verbindung mit der optischen Kohärenztomographie oder mit einer anderen neuen Bildgebungstechnik wie dem ‚narrow band imaging‘ mit seiner spezifischen Gewebeautofluoreszenz gelingen“, formuliert der Klinikchef vorsichtig.

Aktuell bereits im Aufbau ist ein 3D-Laparoskopie-Geräte-Turm. „In Zusammenarbeit mit einem Hersteller bekommen wir hier einen gegenüber dem bisherigen 2D-Bildstandard erheblich verbesserten Bildeindruck, sodass wir beim Operieren, speziell beim Setzen von Nähten, tatsächlich räumlich sehen und navigieren können“, freut sich Achim Rody, der zurzeit auch an einem Vergleich der 3D-Technik mit der neuen hochauflösenden „4K“-Monitortechnologie arbeitet. Diese und andere Geräte, darunter zum Beispiel eine neu entwickelte Ultraschallschere, werden jetzt in Lübeck erprobt. Für die Zukunft erwartet Rody gerade für die gynäkologische Onkologie ein „Arbeiten unter Sicht“, womit gesagt ist: Identifikations-, Lokalisations- und Visualisierungstechnologien werden so weit verbessert werden, dass neben der Operation auch die medikamentöse Behandlung bildgebend nachvollzogen werden kann. „Ich möchte noch zu meiner aktiven Zeit den Tumor regelrecht am Bildschirm verschwinden sehen können“, blickt der 46-Jährige einige Jahre voraus.

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Campus-Werkstätten als Entwicklungsdienstleister für Medizintechnik-Hersteller

Die Forschungs- und Versuchswerkstätten auf dem Lübecker Hochschulcampus vernetzen sich. Gemeinsam beteiligen sie sich an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“ und stellen ihre Dienstleistungen als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Hersteller zur Verfügung. Die Koordination übernimmt das Fabrikationslabor („FabLab“) von Technikzentrum und UniTransferKlinik, das sich mit seinen Campus-Partnern damit zum „Medical FabLab“ weiterentwickelt.

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In den Campus-Werkstätten werden unter anderem Forschungsmodelle und Prototypen gebaut. Hier präsentieren einige Werkstattleiter stellvertretend eine Reihe von Modellen der menschlichen Aorta. V.l.n.r.: Dennis Wendt (FraunhoferEMB), Alexander Mildner (FabLab TZL), Reinhard Schulz (Wissenschaftliche Werkstatt Feinmechanik der Universität), Dirk Steinhagen (Institut für Medizintechnik der Universität),

In der Forschungs- und Entwicklungsarbeit geht es gerade in der Medizintechnik nach der Ideen- und Konzeptionsphase häufig darum, neue Geräte-Bauteile oder Prototypen für weitere Tests herzustellen. Hier kommen die Forschungs- und Versuchswerkstätten auf dem Campus ins Spiel, die eine Vielzahl von Fertigungsmöglichkeiten anbieten. „Wir ermöglichen das Rapid Prototyping mit modernen 3D-Druckern ebenso wie die konventionelle Herstellung von großen Teilen mithilfe von CNC-gesteuerten Fräsen oder von kleinen Teilen mittels feinmechanischer Präzisionsgeräte“, beschreibt Alexander Mildner als Koordinator und FabLab-Leiter die Angebotsbandbreite des neuen, hochschul- und einrichtungsübergreifenden Werkstatt-Netzwerkes.

In den neun beteiligten Campus-Werkstätten stehen modernste Geräte zur Verfügung, darunter verschiedene 3D-Drucker mit Verfahren für unterschiedliche Materialien und Bauteileigenschaften, CNC-Fräsen, CNC-Drehmaschinen, Lasercutter und Laser zur Mikromaterialbearbeitung, 3D-Scanner, Biegemaschinen, Schweißgeräte, Lackierkabine, Säge- und Schleifmaschinen und viele mehr. „Auch für den Elektronik-Bereich sind wir gut ausgestattet, sodass zum Beispiel Layout und Fertigung elektronischer Schaltungen oder Komponenten hier möglich sind“, erläutert Alexander Mildner.

Dabei legt der 30-jährige Maschinenbau-Ingenieur Wert darauf, dass mit dem Medical FabLab ein spezielles Konzept hochschulnaher, teiloffener High-Tech-Werkstätten umgesetzt wird: „So können Hersteller, mit denen wir in Projekten zusammenarbeiten, von der Kreativität und Arbeitsroutine von Mitarbeitern und Studierenden auf unkomplizierte Weise profitieren und schnell zu präsentablen Bauteil-, Prototyp- oder auch Kleinserien-Ergebnissen kommen.“ Kompetente Beratung bis hin zur Mitentwicklung etwa des Produktdesigns und die Schulung externer Maschinen-Nutzer gehörten dabei zum Angebot des Medical FabLab stets dazu. „Nicht zuletzt haben wir Know-how und Erfahrung in Sachen Normenkonformität und Qualitätssicherung, was gerade im Medizinproduktebereich von großer Bedeutung ist und uns die sogenannte Eigenherstellung für klinische Validierungsverfahren ermöglicht“, so Mildner.

Das junge Medical FabLab Lübeck ist bereits in einigen Produktbereichen als Partner von Herstellern und Kliniken tätig. So wurden beispielsweise aus vorliegenden medizinischen Bilddaten diverse 3D-Modelle erstellt und gedruckt. Eine menschliche Aorta wurde in verschiedenen Härten für die Verwendung in der klinischen Forschung gedruckt. (s. Bild) Der Prototyp eines Gerätes für Schärfe- und Kontrastsichtmessungen wurde im Hinblick auf Bauteildesign und Fertigungsoptimierung begleitet. Und es wurden Mikroskop-Probenplättchen per Laser im Mikrobereich graviert und perforiert.

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Lübecker Radiologen als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Hersteller

Die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universität zu Lübeck beteiligt sich zusammen mit anderen Kliniken des UKSH an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Klinik-Direktor Professor Doktor Jörg Barkhausen sieht die Radiologie als „natürlichen Partner der Medizintechnik-Hersteller“.

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„Insbesondere die Themenfelder Bildgebung, bildgesteuerte Intervention und automatische Bildverarbeitung bilden die Schnittmenge, in der unsere tägliche klinische und forschende Arbeit sich mit den Entwicklungsanstrengungen der Hersteller trifft“, formuliert Barkhausen, der über vielfältige Industrie-Kontakte verfügt. Ziel sei es für beide Partner stets, die bestmögliche radiologische Diagnostik und Therapie in möglichst effizienten Prozessen zur Verfügung zu stellen. Beispielsweise geht es in der Zusammenarbeit um die weitere Verbesserung von Geräten wie Magnetresonanztomografen, um die Steigerung der Effizienz von Bildverarbeitungs- und Auswertungssoftware oder um die Evaluation von neuen Methoden und optimierten Prozessen in der klinischen Routine. „Wir helfen den Herstellern dabei, mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und anwendungsnahe Lösungen zu erarbeiten. Dazu wirken wir an Konzept- und Machbarkeitsstudien ebenso mit wie bei Validierung und Erprobung von Methoden und Geräten“, so der Klinikchef.

Als Leitkompetenz der Lübecker Radiologie sieht der 49-Jährige den Bereich der Magnetresonanztomografie (MR/MRT): „Hier bieten wir den Herstellern eine ebenso breite wie tiefe Expertise und umfassende, langjährige Erfahrung für eine konstruktive Zusammenarbeit an. Neben innovativen Lösungen für klinische Fragestellungen können wir eine Vielzahl von strukturiert erhobenen Daten zur Prozessqualität und Effizienz in der klinischen Routine zur Verfügung stellen.“ Die Klinik ist durchgängig digitalisiert und seit kurzem auch für den Bereich der Prozesse nach DIN ISO 9001 qualitätszertifiziert. „Darüber hinaus versuchen wir immer, das ökonomische Gesamtsystem Klinik und den Gesamterfolg für den einzelnen Patienten in diesem System im Blick zu behalten. Hierzu werden zukünftig noch weitere Prozess-Daten erhoben und nach geeigneten Standards ausgewertet werden müssen“, blickt der Radiologe über den Horizont seiner Klinik hinaus in die Zukunft.

Ein typisches MR-technisches Entwicklungsziel ist es laut Barkhausen aus klinischer Sicht, Bewegungsartefakte in MRT-Bildern besser als bisher softwaretechnisch korrigieren zu können. An der Lübecker Radiologie-Klinik wurden aber auch über die rein morphologische Darstellung hinaus gehende Erfahrungen mit der sogenannten „Phasenkontrasttechnik“ zur nicht invasiven, quantitativen Bestimmung von Flussmengen und Volumina oder zur lokalen Druckmessung bei der MRT-Untersuchung des Herzens und des Gefäßsystems gesammelt, die internationale Aufmerksamkeit erhielten.

Eine weitere zukunftsorientierte Technologie, mit der die Radiologen in Lübeck sich in Zusammenarbeit mit mehreren Forschern der Lübecker Universität beschäftigen, ist das „Magnetic Particle Imaging“ (MPI). Mit der Magnetpartikelbildgebung sollen ohne Strahlenexposition noch schnellere und noch präzisere Bilder des Gefäßsystems möglich werden. „Wir entwickeln in einem Projekt mit einem Hersteller diese Technologie weiter in Richtung auf klinische Anwendbarkeit in einem MPI-Patienten-Scanner. Außerdem versuchen wir, geeignete Katheter oder Nadeln mitzuentwickeln, die im MPI-Bild sichtbar sind“, so Jörg Barkhausen.

Aber die moderne Radiologie ist nicht mehr eine „nur“ diagnostische Disziplin. Auch im therapeutischen oder interventionellen Bereich ist die Radiologie ein wichtiger Motor für Innovationen. Die Lübecker Radiologie hat hier zum Beispiel langjährige Erfahrungen mit der Implantation individueller Stentprothesenimplantate, mit denen etwa ein Bauch-Aorten-Aneurysma ausgeschaltet werden kann. „Basierend auf den Ergebnissen der Computertomografie werden die Implantate individuell angefertigt und dann unter angiografischer Kontrolle durch einen interventionellen Radiologen positioniert“, erklärt der Klinik-Leiter.

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Muster erkennen in medizinischen Daten

Jeder Besitzer eines Smartphones erfährt heute alltäglich die Fortschritte, die in den letzten Jahren in der Sprach- und Handschriften-Erkennung gemacht wurden. Solche technischen Erfolge werden vor allem durch die Technologie der „Mustererkennung“ in der Neuroinformatik ermöglicht. Das Lübecker Institut für Neuro- und Bioinformatik (INB) forscht schwerpunktmäßig in diesem Bereich und entwickelt gemeinsam mit Unternehmenspartnern Anwendungen für den klinischen Einsatz. Das INB beteiligt sich gegenwärtig auch am Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Prof. Thomas Martinetz (links) und Prof. Erhardt Barth beschäftigen sich mit neuronalen Netzen (Hintergrund) und darauf basierenden Zukunftstechnologien.

Die Neuroinformatiker orientieren sich am Vorbild der Natur, nämlich dem Gehirn mit seinem komplexen neuronalen Netzwerk. In ihren Modellen bauen sie mit sogenannten „künstlichen Neuronen“ (also mit rein mathematischen Elementen) algorithmische „neuronale Netze“ auf, die im Prinzip wie ein biologisches Nervensystem rechnen und lernen können. Die Schrift- oder Spracherkennung von Smartphones basiert auf diesem Prinzip. Hier wird bei allem Variantenreichtum der möglichen Aussprachen oder Handschriftlinien zum Beispiel eines Wortes inzwischen recht zuverlässig das gemeinte „Muster“ erkannt, das dann als Wort auf dem Display erscheint.

„Die besondere Stärke unserer Neuroinformatik-Modelle und der entsprechend programmierten Anwendungsalgorithmen liegt darin, dass in vorliegenden, oft großen Datenmengen sehr schnell und treffsicher Muster erkannt, ausgewertet und zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt werden können“, erklärt Professor Thomas Martinetz das technologische Erfolgsrezept bei der Arbeit am INB, das er leitet. „So ist es zum Beispiel im klinischen Zusammenhang möglich, Augenbewegungen von Patienten in Echtzeit zu verfolgen beziehungsweise zu analysieren oder aus der Vielzahl von vorhandenen medizinischen Bilddaten die für Diagnose und Therapie relevanten Muster herauszufiltern“, ergänzt Professor Erhardt Barth, der das INB mit aufgebaut hat. Auch für neue „Smart Alarm Systeme“ in der Klinik oder beim Patienten zu Hause brauche man entsprechende Software, die aus den vielen bei der Überwachung ermittelten Messwerten mit großer Sicherheit das bestimmte Muster ermittelt, das dann zum sinnvollen Auslösen eines Alarms führt.

Eines der Verfahren aus dem INB ist gegenwärtig im Bereich der Labordiagnostik bereits im industriellen Einsatz: Hier werden Mikroskopbilder vollautomatisch ausgewertet. Eine andere Software aus dem Institut sorgt bei einem Industriekunden dafür, dass das vorhandene Gewebe bei der Bestückung von Biochips optimal verwertet wird. „Aktuell arbeiten wir an einer Machbarkeitsstudie zum Thema der automatisierten Auswertung von Sensordaten im Hinblick auf die Gerätesteuerung bzw. -regelung bei Beatmungsgeräten“, verrät Thomas Martinetz. Der 53-Jährige sieht seine Arbeit nicht nur als reine Forschung, sondern blickt immer auch auf die Anwendung: „Wir sind Entwicklungspartner der Hersteller, können als Dienstleister bei Bedarf auch komplette Software-Systemkomponenten für medizintechnische Geräte bauen.“ Für die Zukunft erwartet der Neuroinformatiker weitere Anwendungserfolge unter anderem im Bereich der Gestensteuerung: „In Verbindung mit einer bestimmten Kameratechnik sind unsere Algorithmen hier bereits auf dem Weg in das Auto von morgen. Mit kleinen, natürlichen Gesten der Hand, wie sie dort verwendet werden, lassen sich aber zum Beispiel auch Geräte im OP besser steuern als per Tastatur, Maus oder Touchscreen.“

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Medizintechnik optimal regeln

An der Lübecker Universität gibt es seit diesem Jahr ein Institut, das sich speziell mit den elektrotechnischen Aspekten der Medizintechnik befasst. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung und Erprobung neuer, ganzheitlicher Regelungssysteme in Zusammenarbeit mit Medizintechnik-Herstellern. Das Institut für Medizinische Elektrotechnik (IME) arbeitet mit am Aufbau des Projektes „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Professor Philipp Rostalski leitet das neue Institut. Der promovierte Ingenieur beschäftigt sich unter anderem mit Assistenzsystemen im Bereich der Steuerung und Regelung von Beatmungsgeräten. „Die Regelkreis-Prinzipien unserer Arbeit lassen sich aber auf alle medizinischen und technischen Bereiche anwenden“, erläutert der 37-Jährige. Rostalski und sein Team modellieren mit mathematischen Methoden technische und physiologische Systeme. Es geht darum, Verfahren zu entwickeln, mit denen man auch komplexe, dynamische Systeme optimal regeln kann. Solche Regelungsverfahren umfassen insbesondere Software, Sensoren und Aktuatoren. Die so gesteuerten Systeme sind dann in der Lage, sich ständig an neue Gegebenheiten anzupassen, sich selbst jederzeit „nachzuregeln“ und dabei in gewissem Sinne zu lernen. Rostalski vergleicht seinen dynamischen Regelungsansatz gern mit den Assistenzsystemen im Automobilbereich: „Ein ABS oder ESP im Auto wertet auch kontinuierlich aus, was Fahrwerk und Bremse gerade tun, um dann im richtigen Moment eingreifen und nachregeln zu können. Unsere ganzheitlichen, technischen und physiologischen Modelle sind allerdings deutlich komplexer. Sie haben eine große Zahl von unsicheren Parametern zu berücksichtigen und in die Regelung zu integrieren.“

Diese Modelle und Verfahren helfen dann in der Praxis dem dynamischen System „Mensch“, zum Beispiel wenn es um die automatische Überwachung der Körpertemperatur bei einer Operation geht. „Vorstellbar und mit unseren Methoden relativ leicht realisierbar wäre es hier, eine vollautomatische unterstützende Temperaturregelung in eine neue Generation von OP-Tischen einzubauen“, veranschaulicht der Regelkreis-Experte konkrete Anwendungsperspektiven seiner Forschung.

Mit der am IME entwickelten Technologie können auch die erweiterten Regelungsprozesse „am Menschen“ optimiert werden, etwa wenn entsprechend geregelte Überwachungsgeräte oder chirurgische Instrumente sich automatisch bestmöglich auf eine veränderte Lage (zum Beispiel während einer Operation) einstellen. „Für solche Assistenzsysteme und andere Robotik- oder Mechatronik-Anwendungen sind diese Verfahren wie geschaffen“, erklärt Rostalski.

Und natürlich können auch die rein technischen Regelprozesse mit Rostalskis Ansatz verbessert werden, beispielsweise wenn es in der Labordiagnostik um die effizienteste Lösung für die möglichst störungsfreie Steuerung und Regelung von Geräten für automatisierte Labortests (zum Beispiel mit Flüssigproben-Messgeräten) geht. Darüber hinaus ermöglichen die Algorithmen des IME-Teams auch die realistische Simulation von Medizingeräte-Tests, so Rostalski: „Ein ganzheitliches Simulationssystem für die menschliche Atmung befindet sich derzeit in der Entwicklung. Es hilft unseren Industriepartnern beim Entwerfen und frühzeitigen Testen neuer Beatmungsalgorithmen.“

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Lübecker Laserzentrum als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Unternehmen

Optische Technologien und Laser sind aus der modernen Biomedizintechnik nicht mehr wegzudenken und werden für unterschiedlichste Aufgaben eingesetzt. Mess- und Bildgebungstechniken, aber auch optische Prozesskontrolle sind hochaktuelle Themen. Das Medizinische Laserzentrum Lübeck GmbH (MLL) als gemeinnützige Entwicklungsgesellschaft auf dem Hochschulcampus arbeitet auf diesem Gebiet seit nunmehr fast 30 Jahren. Die Laserexperten sind in vielen öffentlich geförderten Forschungs­projekten und im Auftrag von Medizintechnik-Herstellern engagiert, aktuell auch im Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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MLL-Geschäftsführer Dr. Ralf Brinkmann (links) und Doktorand Christian Buj forschen und entwickeln an Lasertechnologien.

Geschäftsführer Doktor Ralf Brinkmann bezeichnet sich und sein Team gern als „Biophotonik“-Experten. Das Wort setzt sich aus den altgriechischen Bestandteilen „Bio(s)“ für „Leben“ und „Photos“ für „Licht“ zusammen. „Wir bieten den Herstellern und unseren Partnern eine breite und tiefe Expertise in Sachen biomedizinischer Anwendungen von Optik und Lasertechnologie und richten dabei unseren Blick stets auf konkrete Anwendungen in der klinischen Praxis, in biologischen Laboren oder für die Fertigung von Produkten“, erläutert der Physiker. Darüber hinaus habe das 1986 an der damaligen Medizinischen Universität gegründete Laserzentrum auch Know-how und Erfahrung in der Mikromaterial­bearbeitung mit Lasern und im normenkonformen Funktionsmusterbau aufzuweisen. „In diesen und angrenzenden Bereichen sind wir gefragte Entwicklungs- und Erprobungspartner für Unternehmen“, fasst Brinkmann zusammen.

Ein Arbeitsschwerpunkt des Laserzentrums und des eng kooperierenden Instituts für Biomedizinische Optik (BMO) der Universität zu Lübeck liegt im Bereich der Optischen Kohärenztomografie (OCT), eines neuen bildgebenden Verfahrens. Die OCT wird häufig auch als „Ultraschalluntersuchung mit Licht“ bezeichnet, da sie durch Auswertung von Lichtechos feinste Gewebestrukturen in Schnitt- und Volumenbildern darstellen kann. „Obwohl man mit Licht aufgrund der starken Gewebestreuung normalerweise nur die Oberfläche sieht, kann man mit dieser Technik bis zu zwei Millimeter tief in Gewebe hineinschauen. Insbesondere zur Diagnostik der Netzhaut am Augenhintergrund ist die OCT alternativlos und hat sich zu einem Standardverfahren entwickelt, das mittlerweile in fast allen augenärztlichen Praxen zu finden ist“, erklärt Brinkmann.

Zukünftig könne man mit neuer Hochgeschwindigkeits-OCT, wie sie in der BMO-Arbeitsgruppe von Professor Robert Huber entwickelt wird, Gewebe dreidimensional mit sogenannter „Videorate“ darstellen. Die Bilder können so zum Beispiel während einer Operation in das Mikroskop des Arztes eingespiegelt werden und ihm in Echtzeit Blicke in das Innere des Gewebes vermitteln. Die andere BMO-Arbeitsgruppe von Dr. Gereon Hüttmann konnte aktuell die Ausbreitung des Pulsschlages an Gefäßen im Auge beobachten. So lassen sich altersbedingte Verände­rungen der Gefäßsteifigkeit messen, die wichtige Rückschlüsse auf das gesamte Herz-Kreislauf-System zulassen.

Insgesamt sieht Brinkmann vielfältige Anwendungsmöglichkeiten der OCT auch in industrieller Fertigung und optischer Prozesskontrolle. Die Entwicklungswerkstatt MLL arbeitet für verschiedene Hersteller auch an äußerst präziser Mikromaterialbearbeitung. So werden Mikrolöcher in Diffusionsmembranen geschossen und dünnste Glasträger im Glasinneren berührungslos markiert, sodass sie unabhängig von weiterer Verarbeitung der aufliegenden Präparate unverwechselbar markiert sind. „Dieses senkt Fehlerraten und Kosten in der medizinischen Labordiagnostik“, erläutert Brinkmann.

Ein weiteres vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt, das am MLL unter Beteiligung zweier Lübecker Unternehmen und des Forschungszentrums Borstel gerade begonnen wurde, befasst sich mit der Atemgasanalyse. Die zusammengeführten Technologien von Laserspektroskopie und Photoakustik sollen hier geringste Mengen charakteristischer Moleküle, die auf Lungenkrebs schließen lassen, im Atemgas nachweisen. Sollte die Methodik erfolgreich sein, könnte eine einfache, den Patienten nicht belastende Atemgasanalyse als Screening zur Krebsfrüherkennung Realität werden. „Bis dahin“, so Ralf Brinkmann, „wird jedoch noch viel Wasser die Trave hinabfließen. Wir sind aber optimistisch, dass wir in unserem Forschungsverbund die Grundlagen für dieses hochhängende Ziel legen können.“

Info: www.mll-luebeck.de

„Big Data“ in der Klinik: Daten-Auswertung mit neuen Software-Werkzeugen

In der klinischen Medizin fallen große Mengen von Daten insbesondere bei Diagnose und Therapie von Patienten an. Diese „Big Data“ bergen Wissensschätze, die zum Wohle des einzelnen Behandelten und zur Effizienzsteigerung des Versorgungssystems beitragen können. Das funktioniert aber nur, wenn geeignete Fragen an die Daten gestellt werden und wenn sinnvolle Auswertungsprozeduren gefunden werden. Auf dieses hoch komplexe „Data Mining“ haben sich die Wissenschaftler vom Lübecker Uni-Institut für Informationssysteme (IFIS) spezialisiert. Im Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“ arbeiten sie mit den Herstellern von Krankenhaus-Software und medizinischen Geräten zusammen.

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Professor Ralf Möller forscht unter anderem im Bereich „Big Data und Data-Mining“

„Bevor wir das Daten-Gold mit geeigneten Algorithmen schürfen können, müssen wir sehr genau wissen, was die Mediziner und die Klinik-Manager über klinische Fälle oder Prozesse überhaupt wissen wollen und gemeinsam mit ihnen entsprechende formale Anfragen aufbauen“, erklärt IFIS-Leiter Ralf Möller den jeweils ersten Schritt im Umgang mit den großen Datenmengen. „Dann müssen wir die Daten selbst extrahieren, bereinigen, ergänzen und so strukturieren, dass ein automatisches Durchsuchen überhaupt möglich ist, ohne bei jeder Abfrage jeden Datensatz durchzugehen, denn dann dauerte jede Abfrage Tage statt Sekunden, eben weil es sich um riesige Mengen handelt.“ Zudem, so Möller, müsse der automatisch zu generierende Auswertungscode auch noch die Leistungsfähigkeit der klinischen Hardware berücksichtigen.

Zu diesen Zwecken bedarf es eines vielfältigen und umfassenden Know-hows von Informatik-Methoden im klinischen Kontext mit all seinen heterogenen Daten aus verschiedenen Quellen. Zum Beispiel müssen die vorliegenden Bilddaten in den Patientenakten ebenso automatisch ausgewertet werden können wie die Briefe und Notizen der Ärzte darin. „Bild- und Sprachverstehen sind komplexe Aufgaben für die maschinelle Intelligenz, aber wir sind inzwischen so weit, dass die Algorithmen sich im Prinzip tatsächlich in Selbstlernprozessen am Datenmaterial weiterentwickeln und zielführende Auswertungen liefern können“, erläutert Möller den Forschungsstand. „Hierzu arbeitet das IFIS eng mit anderen Instituten der Lübecker Informatik zusammen, etwa wenn es um die Generierung und Auswertung von medizinischen Signal- beziehungsweise Bilddaten geht oder um algorithmisches Lernen oder auch um Telematik.“

Das IFIS wird sein spezielles Methoden-Know-how zukünftig verstärkt Herstellern von klinischen Software- und Geräte-Systemen zur Verfügung stellen. Dabei hilft Ralf Möller und seinem Team die annähernd einzigartige Möglichkeit, in Kürze mit einer unter Berücksichtigung aller Datenschutzanforderungen beschränkten Abbildung der Daten des Klinikinformationssystems des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein arbeiten zu können. „Dann entwickeln wir nicht mehr mit fiktivem Datenmaterial, sondern sehen, was tatsächlich in der klinischen Praxis an Material – und an Datenproblemen – vorliegt“, freut sich der 51-jährige Forscher mit dem Interesse an realitätsnaher Anwendung. Die IFIS-Experten verstehen sich laut Möller in diesem Rahmen durchaus als Auftragsforscher für die Hersteller: „Wir können dabei helfen, Hersteller-Studien am realistischen Datenmaterial so zu gestalten, dass tatsächlich aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden. Wir können Software-Werkzeuge mitentwickeln, die Big-Data-Auswertungen im Alltag praktikabel machen und dabei den Datenschutz ebenso berücksichtigen wie Sicherheits- und Zuverlässigkeitsaspekte und das Medizinproduktegesetz. Beispielanwendungen wären hier die schnelle, datenbasierte Entscheidungsunterstützung für behandelnde Ärzte und Operateure oder die automatische Verarbeitung und Auswertung von individuellen Patientendaten aus dessen Aufzeichnungen am heimischen Rechner in der personalisierten Telemedizin – wohlgemerkt: unter strenger Beachtung des Datenschutzes.“

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Bessere Daten in der Medizin: Fraunhofer MEVIS entwickelt Verfahren zur Berechnung, Visualisierung und Analyse medizinischer Bilddaten

Bilder spielen in der modernen, computergestützten Medizin eine zentrale Rolle in Diagnose und Therapie. Auf dem Lübecker Campus verfolgt Fraunhofer MEVIS das Ziel, die in den Bilddaten enthaltene Information optimal verfügbar zu machen. Fraunhofer MEVIS engagiert sich zudem als Entwicklungspartner für Hersteller im Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Professor Dr. Jan Modersitzki und sein Team arbeiten mit medizinischen Bilddaten (Foto: Mark Schenk, Fraunhofer MEVIS)

Die Visualisierung und Analyse von medizinischen Daten ist eine softwaretechnisch hoch komplexe Angelegenheit. Schon die Errechnung eines Bildes zum Beispiel aus den elektrischen Signalen, die bestimmte Atomkerne des untersuchten Körpergewebes unter dem Einfluss starker Magnetfelder im Magnetresonanztomographen senden, erscheint dem Laien als kleines Wunder. In der medizinischen Praxis kommen noch viele weitere Bildmodalitäten zum Einsatz, zum Beispiel Röntgenbilder, Computertomographie-Schnittbilder, nuklearmedizinische Bilder oder auch die Bilder der kleinen Endoskopie-Kameras. Hier setzt auch die besondere Kompetenz des Lübecker Teams von Fraunhofer MEVIS an: Sie sind international ausgewiesene Experten für die sogenannte „Bildregistrierung“. Das bedeutet unter anderem: Die von ihnen entwickelten und umgesetzten Verfahren können schneller, besser und unkomplizierter als andere dafür sorgen, dass verbindende Korrespondenzen von Organen und Strukturen unterschiedlichster Bildmodalitäten hergestellt werden. Dadurch können zum Beispiel Bilder verschiedener Geräte und Formate zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammengefügt werden oder zeitliche Änderungen je nach Bedarf erkannt oder kompensiert werden.

„Aber natürlich stellt sich Fraunhofer MEVIS dem Anspruch, optimale Lösungen für alle klinische Fragen im gesamten Umfeld medizinischer Bilddaten anzubieten“, betont Jan Modersitzki, der den Lübecker Standort leitet und zudem Professor für Mathematik an der Lübecker Universität ist. „Wir adressieren zum einen die Technologien wie Bildakquise, Enhancement, Segmentierung, Registrierung oder Visualisierung, zum anderen aber auch deren Umsetzung in die klinischen Bereiche wie Radiologie, Strahlentherapie oder Nuklearmedizin.“ Mit solchen Methoden ist laut Modersitzki beispielsweise sogar eine Bewertung der Lungenfunktion eines Patienten möglich, die in den Bildern allein nicht erkennbar ist.

Die Entwicklungsanstrengungen der Experten zielen auf einen konkreten Nutzen in der klinischen Anwendungspraxis. „Über beste Informationen in kürzester Zeit verfügen zu können, ist für alle Beteiligten von Vorteil“, fasst Modersitzki die Zielstellung zusammen. „Der Patient erhält am Ende der Kette die bestmögliche Diagnose oder Therapie, der Arzt die optimale technische Unterstützung. Für Software- und Gerätehersteller steht hohe Qualität bei hoher Verarbeitungsgeschwindigkeit, die Anforderungen des Medizinproduktgesetzes und die Zufriedenheit der Kunden im Vordergrund. Für die Kliniken geht es um Effizienz und Effektivität.“ Die zugrunde liegende Software-Plattform „MeVisLab“ sowie die spezifischen Applikationen sind Eigenentwicklungen von Fraunhofer MEVIS. Damit kann man flexibel auf unterschiedliche Anforderungen, zum Beispiel auch solche der verfügbaren Hardware, reagieren, so Modersitzki. „Das ist bei so komplexen Ansprüchen und enormen Datenmengen, wie wir sie bereits jetzt haben und zukünftig in noch viel größerem Umfang erwarten, nicht einfach. Auch deshalb entwickeln wir Lösungen für das Management und die automatisierte Analyse großer Datenmengen, wie sie zum Beispiel in der Patienten-individualisierten Therapie zum Tragen kommen.“

Bereits jetzt sind die Lösungen von Fraunhofer MEVIS in verschiedenen klinischen Bereichen im Einsatz. Beispielsweise in der Leberchirurgie unterstützt Fraunhofer MEVIS bei der Entdeckung und Entfernung von Tumoren, oder bei einer Strahlentherapie wird eine Gewichtsänderung oder unterschiedliche Positionierung des Patienten automatisch korrigiert. Auch die Hersteller von Beatmungsgeräten denken über eine Softwarelösung nach, die den Atemfluss anhand von nur jeweils zwei Bildern (Einatmen/Ausatmen) darstellen und kontrollieren kann.

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Lübecker Studien zur Gesundheitsökonomie

Im Gesundheitssystem spielen ökonomische Fragen eine immer größere Rolle. An der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“ engagieren sich die Lübecker Gesundheitsökonomen mit ihrer speziellen Kompetenz für Marktanalysen und Technologiebewertung im medizintechnischen Bereich.

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Dr. Christian Elsner (42), Leiter des Zentrums für Gesundheitsökonomie an der UniTransferKlinik des UKSH, Campus Lübeck

Medizinischer Fortschritt kostet Geld. Aus Sicht der Hersteller von medizintechnischen Geräten und klinischen Versorgern ist gerade im deutschen Gesundheitssystem der Kostendruck besonders hoch. „Innovative Medizintechnik muss einfach im System angemessen bezahlt werden, auch in Deutschland, wo die erzielbaren Preise erstaunlich niedrig sind“, fordert Christian Elsner. Der promovierte Arzt und Betriebswirt leitet das Zentrum für gesundheitsökonomische Studien an der UniTransferKlinik. Seine Auftraggeber sind unter anderem mittelständische Hersteller von Medizintechnikprodukten und Kliniken. Sie wollen insbesondere wissen, welche ökonomischen Effekte der Einsatz eines neuen Produktes in der Patientenversorgung hat oder haben könnte. „Es geht heute überall um kosten-nutzen-bewusstes medizinisches Businessplanning“, formuliert Elsner. „Wir bieten hier eine besondere Beratungs- und Begleitungskompetenz in der ökonomischen Folgenbetrachtung von Technologie-Entwicklungen, dem sogenannten Health Technology Assessment, speziell im medizintechnischen Bereich. Bei Bedarf unterstützen wir darüber hinaus auch bei der Entwicklung und Umsetzung von Vertragsmodellen zur Einführung von Innovationen in die Versorgung über das Kostenerstattungssystem der Krankenkassen.“

Beispielsweise haben die Lübecker Experten für einen Hersteller untersucht, welchen ökonomischen Nutzen der Einsatz des „Home Monitorings“, also der telemedizinischen Fernüberwachung per Mobiltelefon oder PC, bei Patienten mit implantiertem Defibrillator bringt. Die daraus resultierende wissenschaftliche Studie wurde in einem angesehenen Fachblatt publiziert. In einer anderen Studie, die in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Unternehmen und dem Lübecker Herzzentrum erstellt und veröffentlicht wurde, ging es darum, die tatsächlichen Gesamtkosten („Total Cost of Ownership“) bei der Verwendung verschiedener Herzklappen-Technologien in der kardiologischen Versorgung vergleichend zu ermitteln.

„Entscheidend ist immer, das Gesamtsystem im Blick zu haben“, erklärt Christian Elsner seinen grundlegenden gesundheitsökonomischen Ansatz, der eine Vielzahl von Regeln und Mechanismen berücksichtigt, um zu wissenschaftlich und praktisch haltbaren Ergebnissen zu gelangen. Dabei helfen den Lübecker Studien-Machern auch die umfassenden Geo- und Markt-Daten, die sie in einer eigens entwickelten Software sammeln und auswerten. Dieser Lübecker „Health Explorer“ stellt zurzeit beispielsweise die Datengrundlage zur Verfügung für eine Marktstudie, die ermittelt, wo sogenannte „Medizinische Versorgungszentren“ in Deutschland ökonomisch sinnvoll betrieben werden können.

(rwe)