Archiv für den Monat: Dezember 2013

Im Namen der Schönheit

HLS2-by-doctare.com

Eine kleine Truppe von Laser-Spezialisten hat sich aufgemacht, von Lübeck aus die Länder Süd- und Ostasiens mit ihren Geräten für kosmetisches Lasern zu beliefern.

„Hypertech Laser Systems“ (HLS) heißt die Firma, die Fedor Mayorov 2009 gegründet hat. Der gebürtige Russe kam aus dem fernen Novosibirsk über Kassel nach Lübeck, in „die deutsche Hauptstadt der medizinischen Laser-Entwicklung“, wie der promovierte Physiker Lübeck liebevoll nennt. Am Medizinischen Laserzentrum der Universität war er bis 2009 in einem Industrieprojekt mit der Entwicklung von kosmetischen Lasergeräten der neuesten Generation beschäftigt. Dabei wurde ihm klar, dass seine Berufung darin liegt, „solche Geräte so auszuentwickeln, anzupassen und zu produzieren, dass sie auf dem Markt tatsächlich ein Verkaufserfolg werden können“. Mit HLS hat er sich auf den Weg gemacht, dieser Berufung zu folgen.

Das erste eigene Gerät war schnell fertig: ein kleiner, leicht transportierbarer kosmetischer Laser zum Beispiel zur Entfernung von Tattoos. Die dafür nötige Technologie des „Nd-YAG-Lasers“ (neodymdotierten Yttrium-Aluminium-Granat-Laser) war an sich nicht neu. Aber Mayorov und seinem kleinen Mitarbeiter-Team gelang es, das Gerät aus weltweit eingekauften Standardbauteilen zu montieren, sodass es zugleich technisch besser (insbesondere in Sachen Genauigkeit und Bedienbarkeit) und mindestens 25 Prozent preisgünstiger als konkurrierende Modelle sein konnte. „Das macht immerhin ein paar Zehntausend Euro pro Stück. Und das ist seither auch unsere Business-Strategie“, berichtet der Forscher, der zum Geschäftsmann geworden ist. „Wir finden mithilfe unseres speziellen Laser-Know-hows Lösungen für im Prinzip vorhandene Laser-Technologien, die diese zu realistischen Konditionen produzierbar und damit marktfähig machen. Das Prinzip wenden wir zurzeit auch auf eine andere Technologie an, die unsere russischen Partner schon bis zum Prototypen entwickelt haben: die hochsensitive Laser-Testung auf Gas in verschiedenen Umgebungen.“ Den Abnehmer-Markt dafür kennt Mayorov auch schon, ohne ihn zu diesem Zeitpunkt verraten zu wollen.

Das aktuelle Nachfolgemodell des kosmetischen Start-Produkts von HLS wird vor allem zum „Verschweißen“ von störend-sichtbaren Blutgefäßen etwa im Gesicht oder an den Beinen benutzt. Von diesem Modell kann HLS zurzeit ungefähr jeden Monat zwei Stück im eigenen Produktionslabor im MFC-Gebäude 1 im Hochschulstadtteil montieren – und dann zum Empfänger in Süd- oder Ostasien transportieren. „Dort legen die Menschen tatsächlich mehr Wert auf äußere Schönheit als hierzulande“, erzählt der Geschäftsführer. „In Bangkok beispielsweise gibt es – neben den weltbekannten großen Schönheitskliniken – im Untergeschoss so ziemlich jedes Einkaufszentrums ein Kosmetik-Studio neben dem anderen. Hier wie dort wird auch mit unseren Geräten medizinkosmetisch behandelt.“ Vor allem aber seien die Geschäftspartner in diesen Ländern von den Nutzen- und Kostenvorteilen der Geräte aus Lübeck vergleichsweise leicht zu überzeugen. „Deutsche und Europäer sind immer erst skeptisch, Asiaten probieren aus“, fasst der 37-Jährige seine inzwischen schon erheblichen internationalen Vertriebserfahrungen zusammen. Die größte Hürde auf dem Weg zum Verkauf sind für den überzeugten Lübecker aus Russland stets die Zulassungs- und Zertifizierungsbestimmungen der einzelnen Länder. Aber auch in diesem Bereich hat sich der Physiker inzwischen mit einer fachkompetenten Mitarbeiterin verstärkt, sodass der Eroberung weiterer Märkte im Namen der Schönheit nichts mehr im Wege steht. „Zurzeit arbeiten wir daran, einen Vertriebspartner vor Ort für die arabischen Länder zu finden“, blickt Mayorov optimistisch nach vorn.

(rwe)

Mehr Info:  www.hypertech-lasers.de

Copyright Bild oben: doctare.com

UniTransferPreis 2013: Center for Medical Software and Systems Engineering

Preisträger des Uni-Transferpreises 2013 sind Prof. Dr. Stefan Fischer und Prof. Dr. Martin Leucker mit ihrem Projekt „Center for Medical Software and Systems Engineering“ (CMSSE).

OP-Bild-3OP-Bild-3Das Center for Medical Software and Systems Engineering (CMSSE) ist ein Transferprojekt der Institute für Telematik (Direktor Prof. Dr. Stefan Fischer) und für Softwaretechnik und Programmiersprachen (Direktor Prof. Dr. Martin Leucker) der Universität. Beide Institute haben in den letzten Jahren eine erhebliche Kompetenz im Bereich der sicheren und heterogenen Vernetzung medizintechnischer Geräte in Operationssaal und Klinik aufgebaut. Durch das CMSSE soll dieses Wissen nun professionalisiert in die Wirtschaft transferiert werden.

Das CMSSE wird als wissenschaftsbasierte Unternehmensberatung die medizintechnische Industrie sowie Betreiber von IT-Infrastrukturen im Krankenhaus unterstützen und Vernetzungsprozesse zwischen medizintechnischen Geräten aller Art zu realisieren. Das Marktpotenzial ist hoch, da die offene Vernetzung heterogener medizintechnischer Systeme untereinander und mit Krankenhausinformationssystemen aufgrund der Wettbewerbssituation und des steigenden Kostendrucks bei den Betreibern eine zunehmende Bedeutung erlangen wird.

Mit der Auslobung ihres Transferpreises, der seit 2007 alle zwei Jahre vergeben wird, unterstreicht die Universität die Bedeutung eines intensiven Austausches zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Die namhafte Preissumme von 10.000 Euro wird mit Unterstützung der Unternehmen Drägerwerk, Möller-Wedel, Olympus und Philips sowie der Medisert GmbH ermöglicht.

Die weiteren für den Transferpreis 2013 nominierten Projekte waren (in der alphabetischen Reihenfolge der Projektleiter):

Gestenerkennung basierend auf 3D-Time-of-Flight Kameratechnologie (Prof. Dr. Erhardt Barth, Prof. Dr. Thomas Martinetz, Institut für Neuro- und Bioinformatik der Universität zu Lübeck) Neuartige 3D-Kameras ermöglichen eine robuste Gestenerkennung für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen, vom Operationssaal über interaktive Werbung und Spiele bis zur Steuerung von Funktionen im Auto. Dafür benötigte Algorithmen wurden zunächst im Rahmen des von den Projektträgern koordinierten EU-Projekts „Action Recognition and Tracking based on Time-of-Flight Sensors“ (ARTTS) erforscht und im Anschluss durch ein EXIST-Forschungstransferprojekt zu einer Gestentechnologie weiterentwickelt. Es entstanden zwei Patente, ca. 25 Publikationen, vier Promotionen und sieben weitere Ab-schlussarbeiten. Schließlich wurde 2011 die gestigon GmbH gegründet. gestigon wird derzeit durch den High-Tech-Gründerfond und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein unterstützt, hat mittlerweile weltweit Kunden akquiriert und beschäftigt 14 Entwickler. Mehrere Auszeichnungen, z.B. der Weconomy Award des Handelsblatts, und zahlreiche Medienberichte, z.B. eine Dokumentation im Norddeutschen Rundfunk, zeugen vom hohen öffentlichen Interesse an der Gestentechnologie.

Hochgenaue optische Lokalisierung des Schädelknochens für die kranielle Strahlentherapie (Dr. Floris Ernst u.a., Institut für Robotik und Kognitive Systeme der Universität zu Lübeck) Zurzeit entwickelt eine fünfköpfige Forschergruppe unter Leitung von Dr. Floris Ernst am Institut für Robotik ein neues System zur Positionserkennung in der Strahlentherapie. Dieses Projekt wurde in Kooperation mit Varian Medical Systems, dem weltweit führenden Hersteller von Strahlentherapiegeräten, initiiert und finanziert. Bei dieser weltweit einzigartigen Technik wird ein Infrarot-Laser verwendet, um in Echtzeit direkt die Position des Schädelknochens zu bestimmen. Damit kann für knöcherne Strukturen, die bis zu 15 Millimeter tief unter der Haut liegen, auf Röntgenbildgebung verzichtet werden. Dieses Verfahren wird also den Komfort, die Sicherheit und die Genauigkeit der kraniellen Strahlentherapie wesentlich verbessern und dabei die Strahlenbelastung deutlich reduzieren. Im Laufe des kommenden Jahres wird Varian selbst vier Prototypen des entwickelten Geräts herstellen und klinisch evaluieren.

Etablierung humaner Zellmodelle für Grundlagenforschung und Medikamentenentwicklung (Prof. Dr. Christine Klein u.a., Institut für Klinische und Molekulare Genetik der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Lübeck) Insbesondere bei neurologischen und kardiologischen Erkrankungen ist eine Gewebeentnahme zu Forschungszwecken und zur Medikamententestung beim Menschen nicht möglich. In Lübeck werden seit 2010 induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) erfolgreich hergestellt und in unterschiedliche Zielgewebe (z. B. Nervenzellen und Kardiomyozyten) differenziert. Diese Methode kann universell für praktisch jede Krankheit angewendet werden und ist für drei Zielgruppen von hohem Interesse: (1.) Wissenschaftler, die die iPS-Zellen zur Krankheitsmodellierung und damit als humanes Krankheitsmodell nutzen, (2.) Firmen (und Wissenschaftler), die die iPS-Zellen als Modell für Medikamenten-Screening verwenden, und (3.) werden längerfristig Patienten mit degenerativen Erkrankungen von iPS-Zellen profitieren, indem die daraus differenzierten Zellen für regenerative/restaurative Anwendungen eingesetzt werden. Ziel ist es, die in Lübeck bereits etablierte iPS-Technologie für die kommerzielle Anwendung aufzustellen. Hierbei stellen der Zugang zu hervorragend charakterisierten Patienten und deren iPS-Linien, die hohe Qualität der Reprogrammierung und Differenzierung sowie die hervorragende Vernetzung mit akademischen und Industrie-Partnern das Alleinstellungsmerkmal des Projektteams und seiner Ressourcen dar.

Pressemitteilung der Universität zu Lübeck von Montag, dem 16.12.2013

Der Zauberkasten, der die Molekulardiagnostik revolutioniert

Q-Map_webAttolab

Eine neue Analysemethode vom Lübecker Hochschulcampus macht automatische Schnelltests auf Krankheitserreger schneller, besser und kostengünstiger.

In den Laboren des TZL-Multifunktionscenters auf dem Lübecker Campus kann der Besucher immer mal wieder überraschende Entdeckungen machen. Heute begegnet ihm dort eine Reihe unscheinbarer Blechkästen, die in ihrem Innern eine echte Revolution in der Molekulardiagnostik beherbergen.

Die 2003 gegründete Atto-Lab GmbH besitzt für ihr „Q-MAP“-Verfahren und das zugehörige Analysegerät bereits weltweit über 50 Patente. Das Kürzel steht für „Quantitative Messung attomolarer Präzipitationsverfahren“*. Dahinter verbirgt sich ein Lasermessverfahren von Proteinen in einer immunologischen Reaktion mit extrem sensitivem und dabei minutenschnellem Erreger-Nachweis. „Die Nachweisgrenze sinkt mit dem neuen Testverfahren mindestens um den Faktor 100000 gegenüber den heute üblichen Verfahren zur Detektion von Immunkomplexen in Antigen-Antikörper-Reaktionen“, erklärt Constantin Odefey, Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der GmbH – und Entdecker der revolutionären Methode.„Vor einigen Jahren stieß ich eher zufällig auf seltsame Messergebnisse im attomolaren Bereich bei einem eigentlich unspektakulären elektrochemischen Versuch. Als ich die richtige Interpretation für den Überraschungsbefund gefunden hatte, war mir sofort klar, dass wir damit ein höchst sensitives Messverfahren entdeckt hatten, das den üblichen Verfahren wie PCR* oder ELISA* deutlich überlegen ist. So beschloss ich, dafür eine Entwicklungs- und später eine Vertriebsfirma zu gründen, was dank der guten Unterstützung für Gründer hier in Lübeck auch schnell funktionierte.“

Inzwischen ist das Verfahren in jahrelanger Tüftel-Arbeit ausentwickelt und das zugehörige Messgerät so weit vereinfacht und miniaturisiert worden, dass dem Einsatz in der Klinik- und Forschungspraxis nichts mehr im Wege steht. Sogar ein automatischer Probensammler für Reihenuntersuchungen steht zur Verfügung. Der 49-Jährige Proteinkristallograph Odefey braucht heute zum Beispiel nur noch wenige Tropfen Blut eines lebenden Rinds, um das Tier sicher auf den BSE-Erreger zu testen – ganz ohne tagelange Anzüchtung und komplexe Untersuchung von Laborkulturen und damit um ein Vielfaches günstiger als bisher gewohnt. Mit dem Q-MAP-Verfahren und -Gerät ist der Weg frei hin zu einer bezahlbaren Präventivdiagnostik im molekularen Bereich. Das gilt für alle Krankheiten, die überhaupt mit Antikörper-Tests nachgewiesen werden können, darunter auch verschiedene Formen der Demenz wie die Alzheimer-Krankheit.

Da bei diesem Verfahren die sichere Analyse aus nur wenigen Molekülen in Minutenschnelle geschieht, bietet es sich auch für unter Kostendruck stehende Kliniken an – etwa wenn es darum geht, die gefährlichen multiresistenten Krankenhaus-Keime (MRSA*) zu bekämpfen. „Denkbar ist zum Beispiel so etwas wie eine Luftschleuse im Eingangsbereich eines Krankenhauses. Wir könnten mit Q-MAP direkt aus der Atemluft der eintretenden Menschen auf die Keime detektieren – und gegebenenfalls sofort Alarm auslösen. Auf diese Weise kämen die schwer zu bekämpfenden Keime gar nicht erst in die Klinik hinein“, beschreibt Odefey eine seiner aktuellen Visionen, deren Ausarbeitung und Testung er in einem neuen Förderprojekt des Landes Schleswig-Holstein betreibt.

Die ersten 50 Kleinserien-Geräte in Würfelform (rund 30 x 30 x 30 cm) zur Realisierung solcher Visionen werden im Lübecker Labor manuell gefertigt. Sie werden als Kauf- oder Leihgeräte interessierten Kliniken für eigene Praxis-Tests zur Verfügung gestellt. „Wir bieten eine integrierte Technologie-Plattform“, erläutert Odefey. „Zu den Geräten liefern wir die nötigen Reagenzien und eine Prepaid-Card wie beim Handy. Nur das hier die Test-Anzahl aufgebucht und von uns abgerechnet wird.“

Das klingt doch alles, als hätte es Hand und Fuß. Die Technologie-Blog-Community wird den Weg dieses vielversprechenden Start-ups aufmerksam verfolgen.

(rwe)

* Erläuterung einiger Fachbegriffe/Kürzel:

Quantitative Messung attomolarer Präzipitationsverfahren: Es ist möglich, im attomolaren Bereich (das heißt bei einer extrem geringen Konzentration von 10-18 mol/dm3) exakt zu messen, ob der gesuchte Antikörper vorhanden ist. Es handelt sich chemisch um eine „Fällung“ (Präzipitation).

PCR: Polymerase Chain Reaction (Polymerase-Kettenreaktion), eine Methode zur Vervielfältigung der DNA in vitro

ELISA: Enzyme Linked Immunosorbent Assay, ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren, das auf Enzymbindung fußt

MRSA: methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (bzw. multi-resistenter Staphylococcus aureus), ein Bakterienstamm, der gegen alle bekannten Antibiotika resistent und entsprechend gefährlich ist

Mehr Info: www.atto-lab.com