Medizintechnik optimal regeln

An der Lübecker Universität gibt es seit diesem Jahr ein Institut, das sich speziell mit den elektrotechnischen Aspekten der Medizintechnik befasst. Ein Schwerpunkt ist die Entwicklung und Erprobung neuer, ganzheitlicher Regelungssysteme in Zusammenarbeit mit Medizintechnik-Herstellern. Das Institut für Medizinische Elektrotechnik (IME) arbeitet mit am Aufbau des Projektes „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Professor Philipp Rostalski leitet das neue Institut. Der promovierte Ingenieur beschäftigt sich unter anderem mit Assistenzsystemen im Bereich der Steuerung und Regelung von Beatmungsgeräten. „Die Regelkreis-Prinzipien unserer Arbeit lassen sich aber auf alle medizinischen und technischen Bereiche anwenden“, erläutert der 37-Jährige. Rostalski und sein Team modellieren mit mathematischen Methoden technische und physiologische Systeme. Es geht darum, Verfahren zu entwickeln, mit denen man auch komplexe, dynamische Systeme optimal regeln kann. Solche Regelungsverfahren umfassen insbesondere Software, Sensoren und Aktuatoren. Die so gesteuerten Systeme sind dann in der Lage, sich ständig an neue Gegebenheiten anzupassen, sich selbst jederzeit „nachzuregeln“ und dabei in gewissem Sinne zu lernen. Rostalski vergleicht seinen dynamischen Regelungsansatz gern mit den Assistenzsystemen im Automobilbereich: „Ein ABS oder ESP im Auto wertet auch kontinuierlich aus, was Fahrwerk und Bremse gerade tun, um dann im richtigen Moment eingreifen und nachregeln zu können. Unsere ganzheitlichen, technischen und physiologischen Modelle sind allerdings deutlich komplexer. Sie haben eine große Zahl von unsicheren Parametern zu berücksichtigen und in die Regelung zu integrieren.“

Diese Modelle und Verfahren helfen dann in der Praxis dem dynamischen System „Mensch“, zum Beispiel wenn es um die automatische Überwachung der Körpertemperatur bei einer Operation geht. „Vorstellbar und mit unseren Methoden relativ leicht realisierbar wäre es hier, eine vollautomatische unterstützende Temperaturregelung in eine neue Generation von OP-Tischen einzubauen“, veranschaulicht der Regelkreis-Experte konkrete Anwendungsperspektiven seiner Forschung.

Mit der am IME entwickelten Technologie können auch die erweiterten Regelungsprozesse „am Menschen“ optimiert werden, etwa wenn entsprechend geregelte Überwachungsgeräte oder chirurgische Instrumente sich automatisch bestmöglich auf eine veränderte Lage (zum Beispiel während einer Operation) einstellen. „Für solche Assistenzsysteme und andere Robotik- oder Mechatronik-Anwendungen sind diese Verfahren wie geschaffen“, erklärt Rostalski.

Und natürlich können auch die rein technischen Regelprozesse mit Rostalskis Ansatz verbessert werden, beispielsweise wenn es in der Labordiagnostik um die effizienteste Lösung für die möglichst störungsfreie Steuerung und Regelung von Geräten für automatisierte Labortests (zum Beispiel mit Flüssigproben-Messgeräten) geht. Darüber hinaus ermöglichen die Algorithmen des IME-Teams auch die realistische Simulation von Medizingeräte-Tests, so Rostalski: „Ein ganzheitliches Simulationssystem für die menschliche Atmung befindet sich derzeit in der Entwicklung. Es hilft unseren Industriepartnern beim Entwerfen und frühzeitigen Testen neuer Beatmungsalgorithmen.“

(rwe)