Archiv für den Monat: Dezember 2015

Lübecker Radiologen als Entwicklungspartner für Medizintechnik-Hersteller

Die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universität zu Lübeck beteiligt sich zusammen mit anderen Kliniken des UKSH an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Klinik-Direktor Professor Doktor Jörg Barkhausen sieht die Radiologie als „natürlichen Partner der Medizintechnik-Hersteller“.

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„Insbesondere die Themenfelder Bildgebung, bildgesteuerte Intervention und automatische Bildverarbeitung bilden die Schnittmenge, in der unsere tägliche klinische und forschende Arbeit sich mit den Entwicklungsanstrengungen der Hersteller trifft“, formuliert Barkhausen, der über vielfältige Industrie-Kontakte verfügt. Ziel sei es für beide Partner stets, die bestmögliche radiologische Diagnostik und Therapie in möglichst effizienten Prozessen zur Verfügung zu stellen. Beispielsweise geht es in der Zusammenarbeit um die weitere Verbesserung von Geräten wie Magnetresonanztomografen, um die Steigerung der Effizienz von Bildverarbeitungs- und Auswertungssoftware oder um die Evaluation von neuen Methoden und optimierten Prozessen in der klinischen Routine. „Wir helfen den Herstellern dabei, mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und anwendungsnahe Lösungen zu erarbeiten. Dazu wirken wir an Konzept- und Machbarkeitsstudien ebenso mit wie bei Validierung und Erprobung von Methoden und Geräten“, so der Klinikchef.

Als Leitkompetenz der Lübecker Radiologie sieht der 49-Jährige den Bereich der Magnetresonanztomografie (MR/MRT): „Hier bieten wir den Herstellern eine ebenso breite wie tiefe Expertise und umfassende, langjährige Erfahrung für eine konstruktive Zusammenarbeit an. Neben innovativen Lösungen für klinische Fragestellungen können wir eine Vielzahl von strukturiert erhobenen Daten zur Prozessqualität und Effizienz in der klinischen Routine zur Verfügung stellen.“ Die Klinik ist durchgängig digitalisiert und seit kurzem auch für den Bereich der Prozesse nach DIN ISO 9001 qualitätszertifiziert. „Darüber hinaus versuchen wir immer, das ökonomische Gesamtsystem Klinik und den Gesamterfolg für den einzelnen Patienten in diesem System im Blick zu behalten. Hierzu werden zukünftig noch weitere Prozess-Daten erhoben und nach geeigneten Standards ausgewertet werden müssen“, blickt der Radiologe über den Horizont seiner Klinik hinaus in die Zukunft.

Ein typisches MR-technisches Entwicklungsziel ist es laut Barkhausen aus klinischer Sicht, Bewegungsartefakte in MRT-Bildern besser als bisher softwaretechnisch korrigieren zu können. An der Lübecker Radiologie-Klinik wurden aber auch über die rein morphologische Darstellung hinaus gehende Erfahrungen mit der sogenannten „Phasenkontrasttechnik“ zur nicht invasiven, quantitativen Bestimmung von Flussmengen und Volumina oder zur lokalen Druckmessung bei der MRT-Untersuchung des Herzens und des Gefäßsystems gesammelt, die internationale Aufmerksamkeit erhielten.

Eine weitere zukunftsorientierte Technologie, mit der die Radiologen in Lübeck sich in Zusammenarbeit mit mehreren Forschern der Lübecker Universität beschäftigen, ist das „Magnetic Particle Imaging“ (MPI). Mit der Magnetpartikelbildgebung sollen ohne Strahlenexposition noch schnellere und noch präzisere Bilder des Gefäßsystems möglich werden. „Wir entwickeln in einem Projekt mit einem Hersteller diese Technologie weiter in Richtung auf klinische Anwendbarkeit in einem MPI-Patienten-Scanner. Außerdem versuchen wir, geeignete Katheter oder Nadeln mitzuentwickeln, die im MPI-Bild sichtbar sind“, so Jörg Barkhausen.

Aber die moderne Radiologie ist nicht mehr eine „nur“ diagnostische Disziplin. Auch im therapeutischen oder interventionellen Bereich ist die Radiologie ein wichtiger Motor für Innovationen. Die Lübecker Radiologie hat hier zum Beispiel langjährige Erfahrungen mit der Implantation individueller Stentprothesenimplantate, mit denen etwa ein Bauch-Aorten-Aneurysma ausgeschaltet werden kann. „Basierend auf den Ergebnissen der Computertomografie werden die Implantate individuell angefertigt und dann unter angiografischer Kontrolle durch einen interventionellen Radiologen positioniert“, erklärt der Klinik-Leiter.

(rwe)

Muster erkennen in medizinischen Daten

Jeder Besitzer eines Smartphones erfährt heute alltäglich die Fortschritte, die in den letzten Jahren in der Sprach- und Handschriften-Erkennung gemacht wurden. Solche technischen Erfolge werden vor allem durch die Technologie der „Mustererkennung“ in der Neuroinformatik ermöglicht. Das Lübecker Institut für Neuro- und Bioinformatik (INB) forscht schwerpunktmäßig in diesem Bereich und entwickelt gemeinsam mit Unternehmenspartnern Anwendungen für den klinischen Einsatz. Das INB beteiligt sich gegenwärtig auch am Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Prof. Thomas Martinetz (links) und Prof. Erhardt Barth beschäftigen sich mit neuronalen Netzen (Hintergrund) und darauf basierenden Zukunftstechnologien.

Die Neuroinformatiker orientieren sich am Vorbild der Natur, nämlich dem Gehirn mit seinem komplexen neuronalen Netzwerk. In ihren Modellen bauen sie mit sogenannten „künstlichen Neuronen“ (also mit rein mathematischen Elementen) algorithmische „neuronale Netze“ auf, die im Prinzip wie ein biologisches Nervensystem rechnen und lernen können. Die Schrift- oder Spracherkennung von Smartphones basiert auf diesem Prinzip. Hier wird bei allem Variantenreichtum der möglichen Aussprachen oder Handschriftlinien zum Beispiel eines Wortes inzwischen recht zuverlässig das gemeinte „Muster“ erkannt, das dann als Wort auf dem Display erscheint.

„Die besondere Stärke unserer Neuroinformatik-Modelle und der entsprechend programmierten Anwendungsalgorithmen liegt darin, dass in vorliegenden, oft großen Datenmengen sehr schnell und treffsicher Muster erkannt, ausgewertet und zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt werden können“, erklärt Professor Thomas Martinetz das technologische Erfolgsrezept bei der Arbeit am INB, das er leitet. „So ist es zum Beispiel im klinischen Zusammenhang möglich, Augenbewegungen von Patienten in Echtzeit zu verfolgen beziehungsweise zu analysieren oder aus der Vielzahl von vorhandenen medizinischen Bilddaten die für Diagnose und Therapie relevanten Muster herauszufiltern“, ergänzt Professor Erhardt Barth, der das INB mit aufgebaut hat. Auch für neue „Smart Alarm Systeme“ in der Klinik oder beim Patienten zu Hause brauche man entsprechende Software, die aus den vielen bei der Überwachung ermittelten Messwerten mit großer Sicherheit das bestimmte Muster ermittelt, das dann zum sinnvollen Auslösen eines Alarms führt.

Eines der Verfahren aus dem INB ist gegenwärtig im Bereich der Labordiagnostik bereits im industriellen Einsatz: Hier werden Mikroskopbilder vollautomatisch ausgewertet. Eine andere Software aus dem Institut sorgt bei einem Industriekunden dafür, dass das vorhandene Gewebe bei der Bestückung von Biochips optimal verwertet wird. „Aktuell arbeiten wir an einer Machbarkeitsstudie zum Thema der automatisierten Auswertung von Sensordaten im Hinblick auf die Gerätesteuerung bzw. -regelung bei Beatmungsgeräten“, verrät Thomas Martinetz. Der 53-Jährige sieht seine Arbeit nicht nur als reine Forschung, sondern blickt immer auch auf die Anwendung: „Wir sind Entwicklungspartner der Hersteller, können als Dienstleister bei Bedarf auch komplette Software-Systemkomponenten für medizintechnische Geräte bauen.“ Für die Zukunft erwartet der Neuroinformatiker weitere Anwendungserfolge unter anderem im Bereich der Gestensteuerung: „In Verbindung mit einer bestimmten Kameratechnik sind unsere Algorithmen hier bereits auf dem Weg in das Auto von morgen. Mit kleinen, natürlichen Gesten der Hand, wie sie dort verwendet werden, lassen sich aber zum Beispiel auch Geräte im OP besser steuern als per Tastatur, Maus oder Touchscreen.“

(rwe)