Archiv für den Monat: März 2014

Die Entwickler-Helfer

Ein Informatiker-Team der Lübecker Uni hilft den Software-Entwicklern in Industrie und Kliniken dabei, die tatsächlichen Bedürfnisse der späteren Nutzer schon im Prozess der Produktentwicklung zu berücksichtigen.

Usability-Herczeg

„Nokia ist daran gescheitert.“ Professor Michael Herczeg (rechts im Bild) vom Institut für Multimediale und Interaktive Systeme der Universität zu Lübeck (IMIS) nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um sein Spezialthema geht: Software-Ergonomie, also die Bedien- und Gebrauchstauglichkeit von Geräten, die über Softwareanwendungen gesteuert werden. „Beim Mobiltelefon, heute: Smartphone, kennt das jeder“, erläutert Herczeg das Problem der Hersteller: „Der Benutzer möchte immer komplexere Aufgaben mit dem Gerät erledigen – aber dafür nicht extra ein Bedienstudium machen müssen. Das Gerät muss sich weitgehend selbst erklären. Die Entwickler arbeiten derweil fleißig und technisch erfolgreich ihre Anforderungs- und Funktionslisten im traditionellen industriellen Entwicklungsprozess ab, aber die realen Nutzerbedürfnisse werden nur am Rande erfasst oder beliebig interpretiert.“ Nokia, so meint der Ergonomie-Experte, habe nach sehr erfolgreichen und für die damalige Zeit auch guten Produkten einfach zu lange gewartet, ob die Touchscreen-Euphorie seit Apples iPhone nicht doch irgendwann vorbei geht. Das geschah nicht, das Gegenteil war der Fall, weil es seitens der Benutzer und Käufer längst neue Erfahrungen und Erwartungen gab. Die Nokia-Telefone funktionierten zwar nach wie vor technisch gut. „Aber keiner wollte sich mehr mit einer Tastatur durch die wenigen Anwendungen klicken. Viele Anwender kauften dann massenweise Geräte aus Südkorea, wo Apples Design schnell für breitere Käuferschichten aufgegriffen und adaptiert worden war. So kann ein Innovations- und Marktführer schon mal einbrechen“, analysiert Herczeg, „einfach weil er seine Zielgruppen und deren Usability-Wünsche nicht genau genug bestimmt und bedient hat. Wenn man dann erst einmal zu spät dran ist, ist es sehr schwer, seine Kundschaft und deren Vertrauen wiederzugewinnen.“ Mit Blick auf den Sieger im Wettbewerb fügt der Experte lächelnd hinzu: „Übrigens ist selbst das iPhone nicht in jeder Hinsicht besser, aber es war zum richtigen Zeitpunkt aus Sicht der Käufer und Benutzer die Lösung inklusive der persönlichen Identifikation mit dem Produkt und das ist letztlich entscheidend für den Erfolg.“

In Sachen „Usability“ macht dem Lübecker IMIS-Team so schnell keiner etwas vor. In den vergangenen fünf Jahren haben die Fachleute des Instituts unter Herczegs Leitung eine modular aufgebaute Software entwickelt, die weltweit einmalig ist. Sie hilft den Software-Entwicklern in Industrie und Kliniken dabei, die Nutzer mit ihren Erwartungen frühzeitig in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Der Lübecker Werkzeugkasten trägt den sprechenden Namen „UsER“, Usability Engineering Repository“. Es stellt dem Entwickler systematisch und voll integriert alle Informationen, die er für bestmögliche Anwenderorientierung braucht, unter einer einfach bedienbaren Browser-Oberfläche zur Verfügung: Benutzereigenschaften, Organisationsstrukturen, Aufgabenstellungen, Arbeitsabläufe, Nutzungsszenarien, Wünsche, Ideen, Konzepte, auch gesammeltes Feedback und Diskussion. Dazu gehören beispielsweise auch standardisierte und validierte Ergonomie-Fragebögen für anvisierte Nutzer, mit deren Hilfe Kunden-Umfragen umsetzbare Ergebnisse und Bewertungen erzielen und nicht beliebig interpretiert werden können.

Das Lübecker Tool ist auch für Anwendungen in der Medizin bereits im Testeinsatz. „Dort weiß man, wie wichtig nutzerorientiertes Design ist. Es geht hier um Sicherheitsvorteile, um schnelles, richtiges Reagieren in kritischen Situationen – im OP ebenso wie auf der Intensivstation. Man hat da einfach keine Zeit, auf dem Bedien-Display herumzusuchen“, erklärt Professor Herczeg. Das Usability-Thema werde noch immer unterschätzt. „Aber wie das Beispiel aus der Mobilgeräteindustrie zeigt: Als zentrales Verkaufsargument bei relativ gleicher technischer Leistungsfähigkeit wird unser Thema immer bedeutsamer. Hersteller unterscheiden sich heute kaum mehr in der Produktfunktionalität, aber erheblich in der Gebrauchstauglichkeit und Erlebnishaftigkeit ihrer Produkte. Unser UsER-Entwicklungssystem ist vor allem auch in der Medizintechnik geeignet und wird ständig modular erweitert. Zurzeit arbeiten wir unter anderem an einem integrierten Design-Styleguide.“

(rwe)

Weitere Infos auf der Website des Instituts: http://www.imis.uni-luebeck.de/de/forschung/user-usability-engineering-fuer-softwaresysteme-oeffentlichen-verwaltungen

Sagt der eine Sensor zum anderen…

 

… „Wach auf, wir müssen arbeiten!“ Und schon schreckt der andere aus seinem Dämmerzustand hoch und kommuniziert für einige Millisekunden mit seinem anfragenden Kumpel im Drahtlos-Netzwerk, um die aktuell wichtigen Messdaten auszutauschen. Dann schläft er weiter – bis er ein paar Sekundenbruchteile später wieder kurz aufhorcht, ob da irgendein Netzwerk-Kumpel was mitzuteilen habe. Und so geht das den ganzen Tag, ja ganze Jahre weiter. Und wenn ihnen nicht der Batteriestrom ausgegangen ist – was praktisch nie passiert, weil ihr speziell programmierter Schlaf-Wachrhythmus kaum Energie verbraucht – so funken sie noch heute.

Blog 15 Nr.1

Carsten Buschmann beim Anschluss eines Drucksensors an die Funkeinheit

So „märchenhaft“ kann man es sich vorstellen, wenn Carsten Buschmanns „WSNs“ bei der Arbeit sind. Die drei großen Buchstaben stehen für „Wireless Sensor Networks“, also für Netzwerke von Sensoren, die eigentlich sehr kleine Computer-Module mit speziellen Funktionalitäten und mit eingebauter Drahtlos-Kommunikationsschnittstelle sind. Buschmann ist Geschäftsführer der coalesenses GmbH im Lübecker Hochschulstadtteil, die solche flexiblen, frei skalierbaren Sensor-Netz-Modulsysteme entwickelt und produziert.

Der 37-Jährige hat 2009 am Institut für Telematik der hiesigen Universität promoviert und sich dann als Uni-Ausgründer selbstständig gemacht. Heute sind bei Coalesenses fünf Mitarbeiter beschäftigt. „In Lübeck entwickeln wir für Kunden und testen neue Module. Produktion und Vertrieb finden über Partnerunternehmen in der ganzen Bundesrepublik statt“, erläutert der Informatiker sein Business-Konzept. Im Sommer dieses Jahres will das Lübecker Team so weit sein, dass für die meisten Sensor-Typen und Sensor-Schnittstellen auf dem Markt ein passendes Netzwerk-Modul von coalesenses in kürzester Zeit geliefert werden kann. „Unsere Module haben jetzt einen jahrelangen Testungsprozess hinter sich, jetzt ist die Hauptentwicklungsarbeit getan. Wir haben vier Hauptmodul-Typen mit jeweils mehreren Schnittstellen im Angebot, mit denen praktisch jeder Kunde sofort loslegen kann“, freut sich Buschmann.

Die teilweise nur zigarettenschachtelgroßen Produkte aus Lübeck sind bereits in Hunderter-Stückzahlen in verschiedenen Museen des Landes im Einsatz, wo sie automatisch und wartungsfrei insbesondere Temperatur- und Feuchtigkeit in den Räumen mit wertvollen Exponaten überwachen. Die Sensor-Daten werden von einem dafür zuständigen Modul über eine Intranet- oder Internetverbindung an ein Auswertungsportal  (im Web oder auf einem lokalen Computer) und an eine Speichereinheit geschickt, die beide zum Netzwerk-Produktsystem aus Lübeck dazu gehören.

Ein anderes Beispiel für den Einsatz solcher drahtloser Sensoren-Netzwerke ist aktuell im Kreis Segeberg zu besichtigen:  Im Rahmen eines Projektes für die Bundesanstalt für Straßenwesen testet die coalesenses GmbH mit Projektpartnern dort gerade das Potenzial der System-Module aus Lübeck für die Überwachung von Brücken: „Der Kunde misst mit unseren Modulen etwa Neigungsbewegungen des Materials und die Veränderung von Rissen. Wenn man solche automatischen Mess-Systeme dauerhaft montierte, ständen dem verantwortlichen Statik-Prüfer objektive Messdaten über längere Zeiträume zur Verfügung und er könnte entsprechend leichter entscheiden, wann was in der Brückenpflege zu tun ist.“ Ein so bekanntes Unglück wie der Einsturz des Daches der Eislaufhalle in Bad Reichenhall 2006 wäre mit einer einfachen Funk-Sensor-Überwachungsanlage im Wert von vielleicht 2000 Euro möglicherweise verhindert worden, meint der Vernetzungsprofi aus Lübeck. „Anwendungsgebiete für unsere Systeme sehen wir in den Bereichen Sicherheit, Bauwerksüberwachung, Energiemanagement, Prozesssteuerung und -überwachung.“

(rwe)

Blog 15, Nr.2

Elektronik-Ingenieur Torben Hiller bei der Montage eines Internet-Modems zur Brückenüberwachung in Bad Segeberg

Weitere Infos:

http://www.coalesenses.com/index.php/products/solutions/wireless-data-acquisition/

CMSSE _ Vernetzung von Medizingeräten mit Web Services

Die Vernetzung von Medizingeräten mittels Web Services im OP, auf der Intensivstation, im Krankenhaus und generell im Gesundheitswesen ist das Thema des CMSSE Center for Medical Software and Systems Engineering. Statements namhafter klinische Anwender, Betreiber und Hersteller unterstützen den CMSSE-Ansatz an der Universität zu Lübeck.