Archiv für den Monat: Februar 2016

Lübecker Intensivmediziner auf dem Weg zu intelligenten Assistenz-Systemen

Die Lübecker Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am UKSH entwickelt in Zusammenarbeit mit Medizinprodukte-Herstellern neue, intelligente Assistenz-Systeme. Das Klinik-Team von Professor Dr. Carla Nau beteiligt sich nicht nur in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Auf dem Lübecker UKSH-Campus werden in jedem Jahr über 40.000 operative Eingriffe durchgeführt. Über 4.000 Patienten müssen jährlich intensivmedizinisch versorgt werden und dabei auch zeitweise künstlich beatmet werden. Gerade in diesem sensiblen Feld der modernen Medizin kommt es auf die Qualität der verfügbaren Technologie wesentlich an. „Wir behandeln Hochrisiko- und kritisch kranke Patienten, deshalb versuchen wir, auch unsere Überwachungs- und Behandlungstechnologien im Sinne der Versorgungsqualität der Patienten ständig zu verbessern“, erklärt Prof. Nau, die seit 2013 die Lübecker Klinik leitet. Dazu arbeitet das Klinik-Team erfolgreich mit Medizintechnik-Herstellern und den technologischen Forschungseinrichtungen auf dem Lübecker BioMedTec-Campus zusammen.

Ein Beispiel für neue Entwicklungsperspektiven sind verbesserte Monitoringtechnologien für Beatmungsgeräte, die in Lübeck getestet werden sollen. Ein konkreter Anwendungsfall: Wenn der Intensivmediziner einen Patienten aus der künstlichen Beatmung zurück in die natürliche Eigenatmung führen will, bedient er sich heute normalerweise der Schritt-für-Schritt-Methode, das heißt: Er testet, wie der Patient auf schrittweise weniger zugeführte Atemunterstützung reagiert. Der Arzt verlässt sich in diesem Prozess auf seine Erfahrungswerte. „Zukünftig soll der Arzt durch Echtzeit-Messdaten eines intelligenten Monitoring-Gerätes unterstützt werden“, erläutert Carla Nau. „Neue Software- und Sensorik-Systeme machen es möglich, die Prozess-Sicherheit zu erhöhen, und zwar vollständig nicht-invasiv. Man kann sagen: Das Gerät berät den Arzt auf der Basis von ständig aktualisierten und rückgekoppelten physiologischen Messdaten und empfiehlt entsprechende Schritte der Beatmungs-Deeskalation.“

Solche Assistenz-Systeme sollen laut Nau in Zukunft noch weitaus „intelligenter“ werden. Gemeint ist hier die technologische Fähigkeit, die als Daten vorliegenden Informationen aus verschiedenen Geräten und aus der elektronischen Patientenakte zu einer sinnvoll-zielführenden Empfehlung für den behandelnden Intensivmediziner zu integrieren. „Was wir uns von diesem Big-Data-Thema mittelfristig erhoffen, ist zum Beispiel ein Monitoring-System mit Daten-Integrationsfunktion, das automatisch auf Gefahren hinweist, zum Beispiel auf die Entwicklung einer Lungenentzündung oder Sepsis, und das beispielsweise auch den Zeitraum bis zum Aufwachen aus der Narkose individuell vorhersagen kann“, so die Klinik-Chefin.

Ein anderes Zukunftsthema sieht die 47-Jährige in der technologischen Verbesserung von Simulatoren in der Mediziner-Ausbildung: „Ich wünsche mir für unseren Simulations- und Ausbildungs-OP eine Full-Scale-Puppe für das Intensivmedizin- und OP-Training, die ihre ‚physiologischen‘ Reaktionen auf die jeweiligen Notfallmaßnahmen der Trainierenden vollautomatisch realitätsnah steuern kann, in die also zum Beispiel auch ein Lungenmodell und ein Hämodynamikmodell integriert ist.“ Auch im Bereich der Telemedizin engagiert sich die Lübecker Klinik-Leiterin: „Die bundes- und weltweite Fern-Konsultation von Experten durch Experten mit sicheren Kamera-Übertragungssystemen kann und wird die Qualität von Diagnose und Behandlung erhöhen. Und warum sollte ein nur schwer beweglicher kranker Mensch nicht per Kamera am Bett in der Klinik oder zu Hause mit seinem Anästhesisten ein Aufklärungsgespräch führen können, wenn die körperliche Untersuchung bereits erfolgt ist?“, fragt Carla Nau, rein rhetorisch.

(rwe)

Lübecker Dermatologen entwickeln Verfahren zur besseren Diagnostik und Therapie von Hautkrankheiten und Allergien

Das menschliche Immunsystem arbeitet nicht immer problemlos. Manchmal wendet es sich gegen im eigenen Körper befindliche Stoffe und produziert unerwünschte entzündliche Prozesse in sogenannten „Autoimmunerkrankungen“. Noch viel häufiger reagiert das Immunsystem in überschießender Weise auf von außen kommende Reizstoffe, man spricht dann von Allergien. Die medizinische Forschung arbeitet an neuen Verfahren, die eine individuelle Diagnostik und Therapie solcher Erkrankungen ermöglichen. Die Lübecker Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie (kurz: Hautklinik) am UKSH entwickelt in Zusammenarbeit mit Medizinprodukte-Herstellern neue Nachweis- und Behandlungstechniken auf diesen Gebieten. Das Klinik-Team von Professor Dr. Detlef Zillikens beteiligt sich in diesem Themenfeld an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Vor einem neuen Färbeautomaten im Labor: (v. r.) Prof. Detlef Zillikens, Prof. Karin Hartmann, Prof. Enno Schmidt

„Hautkrankheiten und Allergien beeinträchtigen die Lebensqualität unserer Patienten oft erheblich. Wir entwickeln deshalb ständig neue Verfahren für eine bessere Erkennung von spezifischen, das Krankheitsbild erzeugenden Antikörpern im Körper eines Patienten“, erklärt der Klinik-Leiter. Dabei setzt Zillikens auf eine enge Kooperation mit Herstellern von Laborgeräten und Labordiagnostika. „Von unserer Seite kommen gut charakterisierte Patienten-Daten und -Proben aus unserer wachsenden Biobank und später die Möglichkeit der umfassenden klinischen Validierung. Die Hersteller bringen die Expertise ein für die Produktion von geeigneten, sensitiven und spezifischen Nachweisstoffen und von neuen Geräten zur standardisierten, automatischen Bearbeitung von Gewebeproben und Seren“, erläutert Professor Dr. Dr. Enno Schmidt, Direktor des Lübecker Institut für Experimentelle Dermatologie.

Professor Dr. Karin Hartmann hat sich auf das Thema Allergien spezialisiert. „Allergien werden weltweit immer häufiger, aber die Menschen reagieren regional auf ganz unterschiedliche Allergene, sodass hier ein weites Forschungs- und Entwicklungsfeld vor uns liegt“, berichtet die Leiterin der Allergieabteilung der Hautklinik. Die Lübecker Experten arbeiten gegenwärtig unter anderem an der Testung und Validierung sogenannter „rekombinanter Allergene“ (also künstlich hergestellter allergener Eiweiße) für den Einsatz in einem in der Entwicklung befindlichen „Random-Access-Automaten“. Dieser Automat soll zukünftig die automatische Analyse von Antikörpern im Serum (des Patientenblutes) ermöglichen. Dabei kommt eine spezielle „Beads“-Technologie zum Einsatz: Mit den in bestimmter Weise beschichteten magnetischen Träger-„Kügelchen“ wird es möglich, Blut auf gleich mehrere Allergene gleichzeitig und unabhängig voneinander zu analysieren. „Das macht diese Technologie mit ständiger Zugriffsmöglichkeit nicht nur praktischer bei der täglichen Laborarbeit und präziser hinsichtlich der Ergebnisse, sondern auch schneller und wirtschaftlicher für das Labor“, betont Professor Schmidt.

Bei einer Gruppe von weniger verbreiteten Hautkrankheiten haben die Lübecker Hautärzte bereits mehrere neue Behandlungssysteme gefunden, die auch kommerziell erhältlich sind und erfolgreich eingesetzt werden. Bei den „bullösen“ (blasenbildenden) Autoimmundermatosen handelt es sich um eine Gruppe von Autoimmunkrankheiten, die Professor Zillikens als „Rheuma an der Haut“ beschreibt. „Wir konnten hier in den letzten Jahren nicht nur Nachweise von diversen auslösenden Autoantikörpern im Hautgewebe beziehungsweise im Blutserum der Patienten finden, sondern für einige dieser Autoantikörper auch Adsorber- oder Reinigungsverfahren entwickeln, die diese schädlichen Autoantikörper wirksam aus dem Blut entfernen “, so der Klinikchef. Weitere spezifisch wirksame Adsorbersysteme seien in der Entwicklung. In diesem Zusammenhang validieren Professor Zillikens und sein Team für einen Hersteller gegenwärtig auch einen neuen Färbeautomaten für Gewebeschnitte (Bild), der die Laborarbeit weiter beschleunigen und optimieren soll.

(rwe)