Archiv für den Monat: März 2016

Orthopädische Hilfsmittel werden intelligent

Im Labor für Biomechanik und Biomechatronik der Lübecker Uni-Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie entwickeln Ärzte und Ingenieure in Zusammenarbeit mit Medizintechnik-Herstellern neuartige orthopädisch-technische Hilfsmittel. Die „intelligenten“ Korrekturhilfen sollen zukünftig den Heilungsverlauf etwa nach Knochenbrüchen oder Kreuzband-Operationen individuell optimieren. Die UKSH-Biomechatronik-Experten beteiligen sich mit ihrer Expertise und Erfahrung an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“.

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Robert Wendlandt (links, mit Smartphone zur Auswertung der Sensor-Daten) und Arndt P. Schulz mit dem „fühlenden“ Orthesen-Stiefel (und einem „intelligenten“ Sensor-Chip auf dem Monitor)

„Biomechatronik“ verbindet als Wissenschaft die Bereiche Biologie, Mechanik und Elektronik. Insbesondere sucht der medizinisch orientierte Biomechatroniker in dieser Verbindung dreier Wissenswelten nach Anwendungen, die dem Menschen konkret helfen. Heraus kommen dann unter anderem „intelligente“ orthopädische Systeme. Ihre „Intelligenz“ besteht darin, dass sie neben der rein mechanischen Funktionalität – zum Beispiel einer Knochenverbindungsplatte – auch über Sensoren und Aktoren verfügen, die mit bestimmten Auswertungs- und Steuerungsalgorithmen zu einem System integriert werden, das den Heilungsprozess mit sinnvollen Einstellungen und Vorschlägen optimieren hilft.

„Wir Orthopäden suchen immer nach der biomechanischen Optimierung, nach dem bestmöglichen Vorgehen bei der Unterstützung des Heilungsprozesses des einzelnen Patienten. Die intelligenten Systeme können zukünftig dabei helfen, ob von außen angewendet oder fest implantiert“, erläutert Professor Dr. Arndt P. Schulz das Ziel dieser Entwicklungsarbeit. Schulz leitet den Forschungsbereich der Klinik für Orthopädie. Sein Laborleiter Dr. Robert Wendlandt ergänzt: „Die Frage ist zu jedem Zeitpunkt: Welche Belastungseinstellung fördert jetzt am besten die Wiederherstellung, also beispielsweise das Zusammenwachsen des gebrochenen Knochens?“

Für genau diesen Beispielfall haben die Lübecker Biomechatroniker bereits ein von außen am Knochen zu fixierendes Haltesystem mit Kraftsensoren, kleinen Motoren und intelligenter Steuerung gebaut, das im Prinzip die optimalen Behandlungseinstellungen über Wochen und Monate vollautomatisch vornehmen kann – ganz ohne die sonst mehrmals täglich nötigen manuellen Einstellarbeiten am traditionellen Fixateursystem. Zur Kontrolle können die Kraft-Messdaten über eine Mobil-App oder das Internet dem behandelnden Arzt zur Verfügung gestellt werden. Ähnlich funktioniert die Stiefel-Orthese (Bild), die aktuell entwickelt wird. „Der Schuh, der in der Sohle fühlen kann, liefert uns direkte, harte Infos über den Belastungszustand am Ort des Heilungsgeschehens und über das tatsächliche Auftritt-Verhalten des Patienten nach der Fuß-OP, also nicht nur indirekte Eindrücke durch bildgebende Verfahren“, erklärt Professor Schulz den Vorteil solcher Systeme für Arzt, Patient und Physiotherapeut. „Den Zusammenhang solcher Daten mit dem subjektiven Schmerzempfinden der Patienten untersuchen wir gerade in einer umfangreichen klinischen Studie.“

Ähnliche Systeme gibt es bald auch als Implantate. „Wir haben den Prototypen eines Sensors entwickelt, der zum Beispiel nach einer Kreuzband-Operation fest implantiert werden kann“, erklärt Robert Wendlandt. Der Sensor misst ständig verschiedene Parameter, insbesondere Längenveränderungen und Kraft. „Die Daten werden dann über Bluetooth an eine momentan entwickelte Unterstützungs-App auf dem Smartphone gesendet, die konkrete Verhaltensratschläge etwa zur aktuellen Belastungsgrenze gibt, wie man das von den modischen Fitness-Trackern kennt“, so der Ingenieur.

Das Lübecker Labor ist für die Entwicklungszusammenarbeit mit Herstellern von orthopädischen Hilfsmitteln komplett ausgestattet, sodass hier auch die Eigenherstellung von Prototypen einschließlich der gesamten Mikroelektronik möglich ist. Arndt-Peter Schulz betont darüber hinaus: „Als Entwicklungspartner bieten wir den Herstellern neben langjähriger Erfahrung und umfassender Kompetenz auch den Zugang zu relevanten Klinikern und Test-Anwendern vor Ort – und vor allem eine tiefgehende Beratung mit dem gemeinsamen Ziel einer anwendernahen Produktentwicklung und Produktevaluation.“ Nicht selten entständen auf diese Weise gemeinsame Publikationen wie Projekt- oder Testberichte, Usability-Analysen und andere, auch zulassungs- und vermarktungsrelevante Dokumentationen sowie Postmarket- und Nachuntersuchungsstudien.

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Lübecker Augenärzte entwickeln Lasersystem für die Behandlung von Frühgeborenen

Die Lübecker Klinik für Augenheilkunde des UKSH gehört zu den deutschlandweit führenden Einrichtungen insbesondere im Bereich der Erkrankungen der Netzhaut. Das Team von Klinikleiter Professor Dr. Salvatore Grisanti beteiligt sich gemeinsam mit anderen Kliniken des UKSH-Campus Lübeck an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Ein beispielgebendes aktuelles Entwicklungsprojekt zielt auf die Miniaturisierung und leichtere Handhabbarkeit von Lasersystemen, die insbesondere für die Behandlung von Frühgeborenen eingesetzt werden sollen.

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Bei frühgeborenen Säuglingen kommt es vor, dass ihre Netzhaut nach der Zeit im Inkubator in abnormer Weise reift. Die Babys drohen durch Wucherungen „unreifer“ Netzhautgefäße zu erblinden. Wird dieses Phänomen rechtzeitig erkannt, kann der Augenarzt den Wucherungsprozess stoppen, indem er die abnorme Netzhaut mit dem Laser verödet. „Bei diesen und anderen selbst nicht so beweglichen Patienten kommt es darauf an, das portable Lichtlupen-Instrument zur Untersuchung des Augenhintergrundes – das Kopf-Ophthalmoskop – und das eigentliche Behandlungsinstrument – den Laser samt Auslöser – in ihrem Zusammenspiel so zu optimieren, dass der Arzt mit größter Flexibilität, Sicherheit und Effektivität arbeiten kann“, erklärt Salvatore Grisanti. Sein Team arbeitet deshalb gemeinsam mit einem Gerätehersteller daran, eine bestimmte Lasertechnologie handhabungstechnisch zu erneuern: „Wir haben beim Laser einen effektiven Wellenlängen-Standard wiederentdeckt, der aber bisher nur in großen Geräten verwendet wird. Für uns geht es nun um die Miniaturisierung, damit die Gesamtergonomie bei der Behandlung verbessert wird.“ Projektziel sei es insbesondere, ein kompaktes und leichtes Gesamtsystem zu entwickeln, das es dem Behandler erlaubt, auf einfachste Weise mit spezieller Laserauslösung zu arbeiten, ohne einer anderen bedientechnischen Ablenkung ausgesetzt zu sein, wie es derzeit der Fall ist.

Aber nicht nur in diesem Bereich sieht Klinikchef Grisanti große Potenziale für eine enge Zusammenarbeit seiner Klinik mit den Herstellern von medizintechnischen Geräten. „Wir entdecken ständig neue technische Entwicklungsbedarfe für eine noch bessere Behandlung unserer Patienten und suchen gemeinsam mit engagierten Herstellern nach zielführenden Anwendungslösungen“, so der Augenarzt.

Ein weiteres Beispiel ist ein Entwicklungsprojekt im Bereich der „Beschichtung“ von unterschiedlichen Implantaten, die intraokular (im Auge) eingesetzt werden. In Kooperation mit einem innovativen Hersteller und mit Spezialisten für Nanotechnologie testen die Lübecker Augen-Forscher den Einsatz einer Beschichtung von intraokularen Implantaten. Hierzu gehören künstliche Linsen zur Behandlung des „Grauen Stars“ (Linsentrübung) oder Drainagesysteme für den „Grünen Star“ (Erkrankung des Sehnerven). „Wir hoffen, Nano-Beschichtungen zu finden, mit denen die Implantate unanfällig für Abkapselungsprozesse werden und somit die Funktionsfähigkeit langfristig erhalten bleibt“, erläutert Prof. Grisanti.

Im Labor der Lübecker Augenklinik wird auch daran gearbeitet, künstliche Hornhäute zu züchten. „Die Hornhaut-Transplantation ist die häufigste Transplantation überhaupt“, berichtet Salvatore Grisanti. Da nicht genügend Spender zur Verfügung stehen, sei es sinnvoll, an Alternativen zu forschen. Sein Team erziele zurzeit erste Labor-Erfolge auf Basis eines Quallen-Kollagens.

Die Bandbreite der Innovationsthemen umfasst auch die Digitalisierung. Die Lübecker Universitäts-Augenklinik ist die deutschlandweit führende Klinik der Maximalversorgung im Hinblick auf die Umsetzung einer integrierten elektronischen Patientenakte im Klinik-Informationssystem. Derzeit wird die Weiterentwicklung mit Anbindung der vielfältigen Diagnostikmöglichkeiten in der Augenheilkunde fokussiert. „Die umfassende Bereitstellung und zielführende Auswertung von Patientendaten bringt uns einer optimalen Versorgung in effizienten Prozessen näher“, stellt Klinikchef Grisanti die Bedeutung der Klinik-IT heraus.

(rwe)

Lübecker Chirurgen auf dem Weg zu neuen Navigationstechnologien im OP

Die Lübecker Klinik für Allgemeine Chirurgie des UKSH gehört zu den deutschlandweit führenden Einrichtungen für minimal-invasive Operationstechnik insbesondere im Bereich der Laparoskopie („Bauchspiegelung“). Das Team von Klinikchef Professor Dr. Tobias Keck beteiligt sich gemeinsam mit anderen Kliniken des UKSH-Campus Lübeck an der „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“. Keck sieht in diesem Zusammenhang große Potenziale für eine enge Zusammenarbeit mit den Herstellern von medizintechnischen Geräten insbesondere in den speziellen Lübecker Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkten Navigation und Bildgebung.

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„Als eines von deutschlandweit nur zwei zertifizierten Exzellenzzentren für minimal-invasive Chirurgie legen wir Wert darauf, an der Spitze des technologischen Fortschritts zu agieren“, formuliert der 44-jährige Chirurg seinen Anspruch. „Dazu gehört zum Beispiel, dass wir bereits häufig mit der neuen Technologie der 3D-Laparoskopie arbeiten, die uns mit ihrem räumlichen Bildeindruck unter anderem ermöglicht, hoch präzise, auch rekonstruktive Operationen an der Bauchspeicheldrüse vorzunehmen.“
Für die Zukunft sieht Tobias Keck insbesondere auf dem Feld der computergestützten Navigation gute Chancen für neue Technologien, die zu noch besseren und den Patienten weniger belastenden Operationsergebnissen führen können: „Wir versprechen uns von Fortschritten in der Robotik und in der Bildgebung neue Impulse für die optimale Navigation während der Operation. Auf diesen Gebieten führen wir bereits mehrere Forschungs- und Entwicklungsprojekte auch in Zusammenarbeit mit Geräteherstellern durch.“

In einem gemeinsamen Projekt mit dem Institut für Robotik der Lübecker Universität arbeiten die Chirurgen an der Weiterentwicklung von ultraschallbasierten Techniken zur Navigation mithilfe eines Robotik-Systems. Dabei geht man von einer Grundproblematik jeder „klassischen“ OP-Navigation auf Basis von zuvor angefertigten CT- oder MRT-Bildern aus: Beim Eingriff entstehen ständig von den Bilddaten abweichende Bewegungsartefakte, denn der Patient beziehungsweise das operierte Organ werden bewegt. Eine präzise Navigation ist nur möglich, wenn diese Störungen in der permanenten Bildgebung sofort korrigiert werden können. „Rein von der softwareseitigen Bilddatenkorrektur her stehen wir hier vor hohen Hürden, also denken wir über die Robotik-Alternative nach: einen sich selbst stets nachsteuernden Roboter-Arm einzusetzen, der auf der Basis des Ultraschall-Trackings ständig mit jeder Bewegung mitgeht, sodass der Operateur durchgängig eine Art Ultraschall-Livebild sehen kann“, erklärt der technologiebegeisterte Chirurg den neuen Ansatz. Da Ultraschall keinerlei Strahlenbelastung darstelle, sei diese Methode für Patienten wie Operateure von Vorteil. Darüber hinaus erhofft sich Tobias Keck von den Robotik-Experten auch weiter verbesserte OP-Konsolen. An solchen Visualisierungs- und Steuerkonsolen arbeitet der Operateur mit kleinen Hebeln, die Roboter-Arme steuern, welche die eigentlichen OP-Instrumente präzise und zitterfrei führen.

Im Bereich der intraoperativen Bildgebung interessieren sich die Lübecker Chirurgen gegenwärtig besonders für eine zukunftweisende Verknüpfung der sogenannten „konfokalen“ Mikroskopie mit der in Lübeck bereits erforschten fluoreszierenden Wirkung des Kontrastmittels Indigocyaningrün (ICG). „Daraus kann und wird die In-vivo-Histologie der Zukunft entstehen“, erläutert Tobias Keck. Solche Konfokalmikroskope seien heute komplexe Scanning-Systeme, die scharfe und kontrastreiche Schnittbilder liefern, die dann übereinander gerastert werden, sodass ein genaues, gut interpretierbares Bild des betrachteten Gewebes entsteht. Mit dem Fluoreszenzeffekt von ICG könne dabei eine schnelle und klare Markierung bestimmter Strukturen erzeugt werden.

(rwe)