„Big Data“ in der Klinik: Daten-Auswertung mit neuen Software-Werkzeugen

In der klinischen Medizin fallen große Mengen von Daten insbesondere bei Diagnose und Therapie von Patienten an. Diese „Big Data“ bergen Wissensschätze, die zum Wohle des einzelnen Behandelten und zur Effizienzsteigerung des Versorgungssystems beitragen können. Das funktioniert aber nur, wenn geeignete Fragen an die Daten gestellt werden und wenn sinnvolle Auswertungsprozeduren gefunden werden. Auf dieses hoch komplexe „Data Mining“ haben sich die Wissenschaftler vom Lübecker Uni-Institut für Informationssysteme (IFIS) spezialisiert. Im Projekt „Industrie-in-Klinik-Plattform Lübeck“ arbeiten sie mit den Herstellern von Krankenhaus-Software und medizinischen Geräten zusammen.

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Professor Ralf Möller forscht unter anderem im Bereich „Big Data und Data-Mining“

„Bevor wir das Daten-Gold mit geeigneten Algorithmen schürfen können, müssen wir sehr genau wissen, was die Mediziner und die Klinik-Manager über klinische Fälle oder Prozesse überhaupt wissen wollen und gemeinsam mit ihnen entsprechende formale Anfragen aufbauen“, erklärt IFIS-Leiter Ralf Möller den jeweils ersten Schritt im Umgang mit den großen Datenmengen. „Dann müssen wir die Daten selbst extrahieren, bereinigen, ergänzen und so strukturieren, dass ein automatisches Durchsuchen überhaupt möglich ist, ohne bei jeder Abfrage jeden Datensatz durchzugehen, denn dann dauerte jede Abfrage Tage statt Sekunden, eben weil es sich um riesige Mengen handelt.“ Zudem, so Möller, müsse der automatisch zu generierende Auswertungscode auch noch die Leistungsfähigkeit der klinischen Hardware berücksichtigen.

Zu diesen Zwecken bedarf es eines vielfältigen und umfassenden Know-hows von Informatik-Methoden im klinischen Kontext mit all seinen heterogenen Daten aus verschiedenen Quellen. Zum Beispiel müssen die vorliegenden Bilddaten in den Patientenakten ebenso automatisch ausgewertet werden können wie die Briefe und Notizen der Ärzte darin. „Bild- und Sprachverstehen sind komplexe Aufgaben für die maschinelle Intelligenz, aber wir sind inzwischen so weit, dass die Algorithmen sich im Prinzip tatsächlich in Selbstlernprozessen am Datenmaterial weiterentwickeln und zielführende Auswertungen liefern können“, erläutert Möller den Forschungsstand. „Hierzu arbeitet das IFIS eng mit anderen Instituten der Lübecker Informatik zusammen, etwa wenn es um die Generierung und Auswertung von medizinischen Signal- beziehungsweise Bilddaten geht oder um algorithmisches Lernen oder auch um Telematik.“

Das IFIS wird sein spezielles Methoden-Know-how zukünftig verstärkt Herstellern von klinischen Software- und Geräte-Systemen zur Verfügung stellen. Dabei hilft Ralf Möller und seinem Team die annähernd einzigartige Möglichkeit, in Kürze mit einer unter Berücksichtigung aller Datenschutzanforderungen beschränkten Abbildung der Daten des Klinikinformationssystems des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein arbeiten zu können. „Dann entwickeln wir nicht mehr mit fiktivem Datenmaterial, sondern sehen, was tatsächlich in der klinischen Praxis an Material – und an Datenproblemen – vorliegt“, freut sich der 51-jährige Forscher mit dem Interesse an realitätsnaher Anwendung. Die IFIS-Experten verstehen sich laut Möller in diesem Rahmen durchaus als Auftragsforscher für die Hersteller: „Wir können dabei helfen, Hersteller-Studien am realistischen Datenmaterial so zu gestalten, dass tatsächlich aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden. Wir können Software-Werkzeuge mitentwickeln, die Big-Data-Auswertungen im Alltag praktikabel machen und dabei den Datenschutz ebenso berücksichtigen wie Sicherheits- und Zuverlässigkeitsaspekte und das Medizinproduktegesetz. Beispielanwendungen wären hier die schnelle, datenbasierte Entscheidungsunterstützung für behandelnde Ärzte und Operateure oder die automatische Verarbeitung und Auswertung von individuellen Patientendaten aus dessen Aufzeichnungen am heimischen Rechner in der personalisierten Telemedizin – wohlgemerkt: unter strenger Beachtung des Datenschutzes.“

(rwe)